Bleib hungrig, bleib verrückt, sei besessen – oder was für den Erfolg im Leben wirklich wesentlich ist! (Change-Brief Nr. 72)

Bleib hungrig, bleib verrückt, sei besessen – oder was für den Erfolg im Leben wirklich wesentlich ist!

Ein sehr erfolgreicher Firmenchef hielt 2005 vor Absolventen des Stanford-Colleges eine sehr persönliche Rede, die damals millionenfach um die Welt ging und sich in youtube und Google geradezu viral verbreitete. In seiner berühmten Ansprache verpackte er drei Geschichten seines eigenen Lebens, die wir anlässlich unseres bevorstehenden 11. Business-Retreates für so bemerkenswert halten, dass wir Teile davon hier noch einmal wiedergeben wollen im Zusammenspiel mit einer aktuellen Studie über effektive und wirklich erfolgreiche Arbeit.

Erkennen von Zusammenhängen

Seine eigene Mutter hatte ihn als Kind zur Adoption freigegeben. Sie selbst war auf dem College gewesen und bestand darauf, Akademikereltern für ihren Sohn zu finden. Das gelang zwar nicht, doch das in Frage kommende Elternpaar musste garantieren, dass ihr Sohn später ein College besuchen darf. Auch diese Adoptiveltern kamen aus einfachen Verhältnissen, doch sie haben das Versprechen gehalten und die Mittel für das College für ihren Adoptivsohn zusammengespart. Mit 17 ging er aufs Reed College, doch nach 6 Monaten schon hatte er genug von den regulären Kursen. Er blieb dennoch 18 Monate eingeschrieben und machte keinen Abschluss, doch er besuchte u.a. Kalligraphiekurse. Genau das sollte später bahnbrechend werden bei der Integration schöner Schriften in sein erstes und wichtigstes Produkt, das sich  u.a. darin von den damaligen Wettbewerbsprodukten wesentlich unterschied und der Grundstein für seinen legendären unternehmerischen Erfolg wurde!

Liebe und Verlust

Im Alter von 20 Jahren gründete er sein erstes Unternehmen in einer Garage mit seinem Partner. Nach 10 Jahren hatte die Firma 4.000 Mitarbeiter und 2 Milliarden Dollar Umsatz. Mit 30 Jahren wurde er aus seinem eigenem Unternehmen gefeuert! Das Gefühl von Versagen und Unvermögen beherrschte ihn, es war, als „hätte das Leben ihm einen Ziegelstein an den Kopf geworfen“. Doch er hatte Zeit zum Nachdenken, was für ihn wirklich wichtig ist. Er hat dann die Firmen Next und Pixar gekauft (Toy Story), die wieder „unter ihm“ sehr erfolgreich wurden. Er verliebte sich in eine wunderbare Frau, die er später heiratete. Sie war seine große, lebenslange Liebe und er setzte mit ihr Kinder in die Welt. Ohne den Verlust und die Krise wäre dies alles nie geschehen. Schließlich wird Next von seinem ehemaligen Unternehmen gekauft, und er ist plötzlich wieder dort und ganz oben, erfolgreicher und einflussreicher denn je!

Der Tod und das Wesentliche

Bei einem Arztbesuch wurde als Zufallsbefund mit Ultraschall die Diagnose eines Bauchspeicheldrüsenkrebses gestellt. Die Worte „Sie haben nur noch wenige Monate zu leben“ versetzten ihm einen Schock. Wie bringt man seinen Kindern in Monaten bei, wofür man sonst 10 Jahre Zeit gehabt hätte? Doch das vermeintlich bevorstehende Ende ist auch eine Entscheidungshilfe, was wirklich wichtig ist. Es heißt Abschied nehmen, auswählen, wofür die knappe Zeit verwendet wird. Alle äußeren Erwartungen, alle Angst vor Peinlichkeiten und Fehlschlägen fallen im Angesicht des Todes nicht mehr ins Gewicht. Schließlich erfolgte eine Biopsie und mit großer Erleichterung kam heraus, dass es sich zu diesem Zeitpunkt um ein seltenes heilbares gutartiges Geschwür gehandelt hatte. Doch die für eine gewisse Zeit scheinbar begrenzte Zeit hatte ihn gelehrt, strikt auszuwählen und geholfen, Unwichtiges vom Wichtigen zu trennen.

Den Absolventen rief er damals zu: „Haben Sie den Mut, Ihrem Herzen und Ihrer Intuition zu folgen. Irgendwie wissen diese beiden, was sie wirklich werden wollen. Alles andere ist zweitrangig“.
Er sprach von einer Erinnerung an ein Buch aus seiner Jugendzeit, das er wie eine Bibel verehrt hatte: „ The Whole Earth Catalog“ von Stuart Brand, eine Art „google in Taschenbuchform“. Dort stand auf der Rückseite geschrieben: Stay hungry, stay foolish – bleib hungrig, bleib verrückt!

Und haben Sie schon erkannt, um wen es sich handelt? Steve Jobs war der Redner, ehemaliger CEO von Apple, und auch wenn er Jahre später doch einer malignen Erkrankung erlegen war, wirkt seine einmalige und leidenschaftliche Art bis heute im Apple Konzern und nicht nur in der Wirtschaftswelt nach.

Weniger tun, das aber wie besessen

Doch zurück in unsere Breiten und Zeiten. Der Managementprofessor Morten Hansen hat für sein Buch „Great at Work“ (Hansen, Morten T.: „Great at Work: How Top Performers Do Less, Work Better, and Achieve More“; Simon & Schuster, 2018.) die Arbeitsweisen von 5.000 Menschen untersucht, dazu gehörten Manager in gehobenen Positionen ebenso wie junge Berufseinsteiger. Das Ergebnis bestätigt einen langgehegten Verdacht: Die meisten von uns arbeiten zu viel und falsch.

In einem Interview erläutert Prof. Hansen seine im Buch veröffentlichten Erkenntnisse (Quelle: https://www.wiwo.de/erfolg/beruf/erfolg-durch-obsession-tu-weniger-das-a…). Die Top-Leistungsbringer hatten die Fähigkeit, sich auf wenige Punkte zu konzentrieren und nicht zu verzetteln. Es geht darum, weniger richtig zu tun, sich zu fokussieren auf das wirklich wichtige und wesentliche. Unwichtiges ist zu delegieren oder zu streichen  – und auch „nein“ sagen zu können sogar zu seinem Chef – ist in der heutigen Zeit eine wichtige Tugend.
Das Mantra ist: Was muss ich machen, um mehr Nutzen zu stiften, was kann ich loswerden, was andere besser und schneller können als ich, was kann ich komplett streichen, weil es keinen Nutzen stiftet?
Doch auch die Arbeitszeit an sich ist dabei zu beachten. Nicht wer länger arbeitet als andere ist erfolgreicher, sondern wer in seiner Zeit am effektivsten ist. 50 Stunden pro Woche genau an den richtigen Dingen effektvoll und produktiv zu arbeiten, bringt mehr als sich in 70 oder 80 Stunden aufzureiben und am Ende nichts wirklich zu Wege zu bringen. Leistung und Arbeitsmenge im Sinne von Arbeitszeit sind eben nicht deckungsgleich. Auswahl, Abwahl und Priorisierung und letztlich Fokussierung sind die entscheidenden Erfolgsfaktoren. Doch all das reicht noch nicht für eine herausragende Leistung.

Denn es gibt noch einen zweiten Motor für echte Leistungsträger. Besessenheit ist ebenso wichtig und das heißt, außerordentlichen Einsatz zu zeigen für die wenigen Punkte, in denen man sich wirklich intensiv engagiert. Außerordentlich hohe Disziplin ist dabei entscheidend. Besessenheit bedeutet hier auch in gewisser Weise Detailverliebtheit, mit der man auch auf Kleinigkeiten achtet. Dazu gesellen sich hohe intrinsische Motivation, echtes Interesse an den Dingen und Leidenschaft als Erfolgsfaktoren. Top-Leistungsbringer brennen extrem für ihren Job und ihre Aufgaben – und reißen dadurch andere mit. Sie sehen ihren Beruf auch als Bestimmung. Es gibt viel Energie, wenn man bemerkt, dass das eigene Tun für sich und andere eine wirkliche Bedeutung hat. Nach G. Bateson ist das der „Unterschied, der den Unterschied ausmacht“.

Bei aller Digitalisierung und Beschleunigung von Geschäftsprozessen ist es wichtig, immer wieder inne zu halten und festzustellen, ob das, was man tut, einen wirklichen Wert schafft und Sinn stiftet. Dabei hilft es mehr miteinander zu reden und sich und anderen immer wieder Fragen zu stellen: Brauchen wir das wirklich? Welchen Mehrwert haben wir oder andere davon? Lohnt sich der Aufwand wirklich?
Abhängig von den Antworten und Einsichten stellen wir dann fest, was und wie man Dinge und Vorgänge ändern kann – oder was man anders oder anderes tun kann.
Es geht letztlich darum anders zu arbeiten als immer mehr zu arbeiten, und bei all dem für sich den eigentlichen Sinn vor Augen zu haben: Wofür mache ich das, was ich mache? Wenn Sie sich selbst hierfür klare Antworten geben können, wenn Sie wissen, was auf Ihrer „heimlichen Visitenkarte“ stehen würde, dann ist das Ihre Grundlage für das, was Morten Hansen „Besessenheit“ nennt, und was Steve Jobs mit „hungrig und verrückt“ meint! Viel Freude und Erfolg dabei, das herauszufinden, wenn Sie es nicht schon längst wissen.

Pia Drauschke und Stefan Drauschke

Berlin, im März 2018

Erschienen in: Klinik Markt inside, 06/2018 vom 26.03.2018, Seiten 11-13