Einfluss nehmen mit wirksamer Kommunikation (Changebrief 88)

Entwickeln und bewegen mit antiken und modernen Kommunikationsmodellen

Manche reden sich um Kopf und Kragen, plappern nur so um sich herum oder hören sich einfach gerne selbst sprechen. Wir empfehlen unseren Kunden in Kommunikationstrainings oder gegenüber den Führungskräften in unseren Unternehmen eigentlich immer, zunächst kurz zu überlegen, was sie mit Kommunikation bewirken wollen, und erst dann die dazu passenden verbalen und nonverbalen Signale auszusenden, mit denen die gewünschte Wirkung am ehesten erreicht werden kann.

Seit jeher wollen Menschen mit Kommunikation Einfluss nehmen, sei es im Gespräch auf andere oder auf selbst, wenn sie sich gut zureden. Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht und die Geheimnisse guter Kommunikation sind weder allen in die Wiege gelegt noch Gegenstand der meisten Studiengänge oder Berufsausbildungen. Dabei ist die Redekunst schon in der griechischen Antike als Disziplin bekannt und spielte insbesondere in den meinungsbildenden Prozessen Athens eine Rolle. Auch in den religiösen Lehren im Mittelalter fand die Rhetorik ein weiteres Feld von hoher Bedeutung. Die Aufgabe der Rede ist es schon immer gewesen, den Zuhörer von einer Aussage zu überzeugen oder zu einer bestimmten Handlung zu bewegen. Und Geschichten ziehen noch heute nach den Mustern des Aristotelischen Dramas oder der klassischen Heldenreise das Publikum in ihren Bann.

In der Neuzeit, genauer in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, befasste sich inspiriert von Gregory Bateson die Palo-Alto-Gruppe in Kalifornien – eine Forschungsgruppe aus Psychiatern, Psychologen und Sozialarbeitern am Mental Research Institute (MRI)- mit den Themen Kommunikation, Psychotherapie und systemischer Familientherapie. Ein weiterer bekannter Vertreter dieser Gruppe ist Paul Watzlawick, der mit seinen Geschichten zum Unglücklich sein und den metakommunikativen Axiomen (man kann nicht nicht kommunizieren) bekannt geworden ist. Die Modelle der Gruppe wurden später von Schulz von Thun erweitert (Inneres Team, vier Seiten einer Nachricht).

In diesem Umfeld hat Dr. Richard Bandler unter der Supervision des Linguistikprofessors John Grinder am Cresge College die Sprachmuster des verstorbenen Gestalttherapeuten Fritz Perls aus Videomaterial intensiv analysiert. 1975 entstand das erste Buch von Bandler und Grinder über wirksame Sprachmuster „Metasprache und Kommunikation – die Struktur der Magie“.  Nach Bateson, der das Vorwort zu diesem Buch schrieb, war es ihnen gelungen, die Syntax explizit zu machen, wie Menschen Veränderung vermeiden und gleichzeitig, wie man ihnen helfen kann, sich zu verändern. Bandlers zeitgleiche Beschäftigung mit Arbeiten von Virginia Satir im Bereich der systemischen Familientherapie und dem Lebenswerk des Hypnotherapeuten Milton Erickson erweiterte das Themenspektrum. Viele Kommunikationsstrategien und Formate werden seither unter dem etwas unglücklichen Namen „NLP – Neurolinguistisches Programmieren“ geführt. Allerdings haben Grinder und Bandler selbst zu fortgeschrittener Stunde einmal bekannt, dass der Name eher auf den guten kalifornischen Wein, als auf sachliche Überlegungen zurückzuführen ist. Auch ihnen war klar, dass das Gehirn nicht wie ein PC programmierbar ist, doch waren sie von den zu jener Zeit gerade aufstrebenden Firmen wie Apple und Microsoft inspiriert.
Systemischen Ansätzen folgend, wird die Veränderung des eigenen Verhaltens immer auch Änderungen im Verhalten anderer bewirken. Es geht also im Kern um die Beeinflussung von eigenem Denken, Einstellungen und Verhalten – also um Selbsterfahrung und Selbstführung.

Die folgenden zehn Grundsätze geben einiges von der Denkweise und dem Menschenbild preis, die hinter diesem Kommunikationsmodell bzw. den Quellen und Wurzeln stehen, von denen es abgeleitet wurde (Quelle: Albrecht/Drauschke/Drauschke. Changemanagement und Führung im Gesundheitswesen, medhochzwei Verlag, 2016).

Wahrnehmung

  1. Wirklichkeit ist subjektiv. Menschen reagieren auf das, was sie wie von der Welt wahrnehmen (die Landkarte) und nicht auf die Welt selbst. Die Landkarte ist nicht das Territorium. Es ist nicht so entscheidend, was wir wahrnehmen, sondern wie wir es wahrnehmen.

Kommunikation

  1. Die Kommunikation ist redundant. Man kommuniziert immer in den drei Hauptrepräsentationssystemen (visuell, auditiv, kinästhetisch)        gleichzeitig. Dabei beträgt der Anteil an nonverbaler Kommunikation ca. 70 %!
  2. Die Bedeutung meiner  Kommunikation lässt sich erst an der Reaktion beurteilen, die ich darauf erhalte. Es gibt keine Fehler in der Kommunikation, sondern nur Resultate und Feedback, die erwünscht sind oder nicht. Man muss also die eigene Kommunikation so lange verändern, bis man das gewünschte Ergebnis erhält.

Flexibilität

  1. Widerstand, sei es der des Empfängers auch der eigene, ist eine Reaktion über die Inflexibilität des Kommunikators. Erfolgreiche Kommunikatoren akzeptieren und nutzen (utilisieren) jedes angebotene Verhalten des Kommunikationspartners.
  2. Das Ziel ist höchstmögliche Flexibilität im Verhalten. In einem System ist dasjenige Element führend, das über eine höhere Flexibilität verfügt als die übrigen. Deshalb ist Wahlfreiheit im eigenen Verhalten wesentlich. Wenn man etwas tut, das nicht funktioniert, dann muss man so lange etwas anderes ausprobieren, bis es funktioniert.

Ressourcen und Bewusstsein

  1. Jeder Mensch verfügt über alle Ressourcen, die er braucht, um gewünschte Veränderungen vorzunehmen. In schwierigen Lebenssituationen haben manche diesen Zugang verloren. Es geht im Kern darum, (wieder) Zugang zu diesen eigenen Ressourcen zu erlangen.
  2. Unser Bewusstsein begrenzt unser Verhalten und ist dabei nicht das kontrollierende Element in unserem System. Es gibt immer zwei Ebenen der Kommunikation: Die bewusste und die unbewusste, letztere wird durch unser „internes Betriebssystem“ mit Werten, Glaubenssätzen, Antreibern etc. bestimmt und dies zu kennen, erweitert die Möglichkeiten ungemein.

Menschenbild

  1. Der positive Wert jedes Individuums ist konstant, der Wert und die Angemessenheit des Verhaltens kann hingegen veränderungswürdig sein. Jeder Mensch ist einzigartig und sollte dementsprechend behandelt werden.
  2. Hinter jedem Verhalten steckt eine positive Absicht. Für jedes Verhalten gibt es einen Kontext, in dem es nützlich und sinnvoll ist. Neukontextualisierung von Verhalten ist daher ein wesentliches Element von Interventionen wie das Reframing.
  3. Das Verhalten jedes Menschen ist in sich stimmig und logisch und beruht auf Erfahrungen, die bisher gemacht wurden. Niemand „funktioniert nicht richtig“. Wenn wir mit unserem Verhaltensmuster nicht zufrieden sind, dann gilt es herauszufinden, wie man es so verändert, dass es nützlich und passend wird.

Dem Kundigen fällt sofort auf, dass sich hier das wesentliche Gedankengut der Systemtheorie widerspiegelt, was in Kenntnis der Wurzeln des Modells nicht überrascht (Bateson, Satir, Erickson etc.).

Das Modell ist heute Bestandteil vieler Führungstrainings, eine der Grundlagen der meisten Coachingausbildungen aller Schulen und ist auch im therapeutischen Kontext weit verbreitet. Wir haben im Laufe unserer Aus- und Fortbildungen nach Bandler auch verschiedene Persönlichkeiten wie Gunther Schmidt (Milton Erickson Institut Heidelberg, direkter „Schüler“ von Milton Erickson) oder Varga von Kibed (Syst, München, direkter Steve de Shazer Schüler) kennengelernt, die diese Wurzeln repräsentieren, aus denen Bandler „sein“ Kommunikationsmodell entwickelt hatte.

Wir sind mit diesen Erfahrungen überzeugt davon, dass gute Kommunikation letztlich ein natürlicher Prozess ist, der auf wirksamen Interventionen beruht, die so alt sind wie die Menschheit und die Sprache selbst. Wesentlich sind dabei die Intention und ethische Gesinnung des Kommunikators. Mit einem scharfen Messer können Sie Brot schneiden – oder jemanden verletzen. Das Werkzeug ist immer das Gleiche. Die Absicht des Nutzers ist dafür entscheidend, ob es sich um abzulehnende „Manipulation“ zum Nachteil des Kommunikationspartners oder um nützliche, wertschätzende und wirksame (Führungs-)Kommunikation handelt, um die Dinge zum Besseren zu wenden. Nachdem Sie sich entschieden haben, sich mit dem Wesen von wirksamer Kommunikation mehr zu befassen, werden Sie automatisch bemerken, wie Sie selbst sich besser kennenlernen und weiterentwickeln.

Pia Drauschke und Stefan Drauschke im September 2020