Die Interessen und Ansichten von Führungskräften und Mitarbeitenden erscheinen zunehmend unterschiedlich zu sein und auch die Machtverhältnisse haben sich auf dem Arbeitsmarkt so verschoben, dass Arbeitsuchende und Arbeitnehmende mehr und mehr vorgeben können, was ihnen genehm ist. Nicht mehr die Unternehmen suchen sich die passenden Bewerber aus, sondern die Unternehmen bewerben sich als mehr oder weniger attraktive Arbeitgeber bei den in Frage kommenden Kandidaten.
Während insbesondere Krankenhäuser mit den wirtschaftlichen Folgen von Pandemie, Ambulantisierung, Gesundheitsreform und Inflation zu kämpfen haben, müssen diese sich auf immer anspruchsvollere Vorstellungen und Forderungen von Beschäftigten einstellen. Dabei hinterfragen Berufstätige immer häufiger kritisch ihre Lebensbalance und ihre Arbeitssituation und haben oft den Anspruch, immer mehr Geld für immer weniger Verantwortung und Arbeit erhalten zu wollen und am besten selbst zu entscheiden, ob und wann sie von zu Hause „remote“ oder im Unternehmen am Arbeitsplatz arbeiten. Die jüngsten Streiksituationen rund um die Bahn, die Flughäfen und die Unikliniken zeugen von diesen Verwerfungen, obwohl die Deutschen schon jetzt im europäischen Vergleich weniger arbeiten als die meisten ihrer Kolleg:innen in anderen EU-Ländern. 2022 betrug die durchschnittliche geleistete Wochenarbeitszeit von 20- bis 64-jährigen Erwerbstätigen in Deutschland nur 35,3 Stunden. Damit lag sie unter dem EU-Durchschnitt von 37,5 Stunden – lediglich in den Niederlanden arbeitet man mit 33,2 Stunden noch weniger (Quelle: Wöchentliche Arbeitszeit im EU-Vergleich 2022 – Statistisches Bundesamt (destatis.de).
Auch das Konfliktpotential steigt zwischen den Beteiligten u.a. in Bezug auf immer transparentere Verdienststrukturen, Präsenzpflicht am Arbeitsplatz (Homeoffice), Fehlzeiten und daraus folgende Mehrarbeit bei Anwesenden, auseinanderdriftende Vorstellungen und Haltung zur Arbeit zwischen den Generationen sowie die Art, wie Führung am ehesten gelebt und akzeptiert wird (Führungskultur). Wir wollen auf die einzelnen Aspekte kurz eingehen und praktische Hinweise geben, wie damit möglicherweise umzugehen ist, wobei natürlich die Gemengelage fallbezogen und von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich ist.
Verdienststrukturen transparent machen?
Führungskräfte wünschen sich i.d.R. und verabreden dies auch gerne mit Mitarbeitenden, über Geld und Gehaltsfragen Stillschweigen zu wahren. Und dennoch hören wir immer wieder, dass in Pausen oder in der Freizeit doch über Geld oder geldwerte Vorteile untereinander gesprochen wird. Ein wichtiger Faktor für Zufriedenheit in Unternehmen ist die gefühlte Gerechtigkeit und Gleichbehandlung von Kolleg:innen in Bezug auf Ansprache, Urlaubs- und Sonderregelungen und eben auch in Gehaltsfragen. Wenn jemand auch nur das Gefühl hat, im Vergleich mit anderen im Nachteil zu sein, so ist dies ein Anlass für Frust und Ärger. Dass man als Chef möglicherweise gute Gründe hat für Abweichungen von der Norm in Einzelfällen, interessiert andere nicht und es ist kein Verlass darauf, dass die oder der Begünstigte das Privileg wirklich für sich behält. Die Gründe für die Mitteilsamkeit der Arbeitnehmer sind häufig wohlgemeint: Man möchte zu gerechten Gehaltsstrukturen beitragen oder die „Gender Pay Gap“ (Lohnlücke zwischen Männern und Frauen) minimieren. Manche wollen sich vielleicht einfach nur wichtig machen oder damit angeben, dass sie es geschafft haben, ein gutes Verhandlungsergebnis für sich erreicht zu haben. Diese Verhaltensweisen erhöhen den Druck auf die Geschäftsleitung und verkleinern die Möglichkeit, Kandidaten mit besonderen Eigenschaften angemessen zu bezahlen. Gleichzeitig verleitet diese „verdeckte Offenheit“ Mitarbeitende im Unternehmen, immer weiter an der Gehaltsschraube zu drehen. Wer weiß, wie schwierig es ist, gute Fachkräfte zu finden und zu halten, spürt, in gewisser Weise erpressbar geworden zu sein. Wenn die Verhaltensweisen wie oben beschrieben erkennbar werden, dann kann man aus der Not auch eine Tugend machen und Gehaltsstrukturen sowie Einflussfaktoren auf Gehalt und Privilegien komplett offenlegen und transparent darstellen. Das erhöht einerseits die aktive Beeinflussbarkeit des Gehaltes durch die Arbeitnehmenden und senkt auf der anderen Seite die Flexibilität der Arbeitgeber. Es gibt übrigens auch Untersuchungen aus dem Jahr 2022, nach denen Gehaltstransparenz die Arbeitszufriedenheit negativ beeinflusst (Quelle: Studie zeigt: Lohntransparenz führt nicht immer zu einer höheren Arbeitszufriedenheit – Zeitgeschehen). Dieses Phänomen beruht auf dem tief verwurzelten Konkurrenzdenken der Menschen und dem dringenden Wunsch, keinesfalls schlechter behandelt werden zu wollen als andere.
Homeoffice oder Büro?
Diese Frage stellt sich in Krankenhausunternehmen in vielen Berufsgruppen nicht oder nur eingeschränkt, was auch zu Ungerechtigkeitserfahrungen oder -empfindungen führen kann. Die Arbeit am Patienten ist von zu Hause nicht oder nur sehr eingeschränkt zu leisten bis auf Dokumentations- und Planungsarbeiten oder Telesprechstunden und Videokonferenzen (Viko). Anders ist dies für administrative Berufsgruppen und manche Leitungskräfte, Referent:innen oder Assistent:innen, denen wir häufig bei Rückfragen und Abstimmungsgesprächen in Videokonferenzen von zu Hause begegnen.
Nun hat die Coronapandemie viele Unternehmen geradezu gezwungen, die Mitarbeitenden von zu Hause arbeiten zu lassen und viele finden das großartig. Der Weg zur Arbeit und die damit verbundene Zeit wird erspart und man kann sich den Tag wunderbar selbst einteilen bei minimaler Kontrolle. Je nach Selbstdisziplin und häuslichem Umfeld erhöht das die Effizienz oder lässt sie deutlich abfallen. Gleichzeitig leidet das Teamgefühl im Kollegium und die vielen Kontakte unterbleiben, die sowohl der Problemlösung als auch dem Zusammenhalt dienen auf dem Flur oder in der Teeküche.
Auch unsere Zunft als Consultants ist betroffen. Wir sind in unseren Unternehmen GÖK und NextHealth noch immer davon überzeugt, dass es wichtig ist, direkten persönlichen Kontakt zum Kunden und seinen Teams zu haben, um Vertrauen zu verdienen und tiefes Verständnis zu erwerben und letztlich damit im Change wirksam werden zu können. Wenn wir selbst Mitarbeitende suchen, so begegnen uns inzwischen viele Bewerber, die nur oder fast nur „remote“ arbeiten wollen und nicht verstehen, wofür sie beim Kunden oder im Büro auftauchen sollten. Wir empfehlen jedenfalls, dieses Thema im eigenen Unternehmen klar zu adressieren, gerne auch zu diskutieren, die wechselseitigen Motive zu verstehen und eine Policy zu verabschieden, die Ausmaß und Regeln für Homeoffice transparent darstellen in den verschiedenen Bereichen. Wenn Sie als Führungskraft für ein größeres Unternehmen arbeiten, dann raten wir Ihnen, sich hierfür „von oben“ einen Rahmen geben zu lassen, innerhalb dessen Sie Ihre Lösungen im eigenen Verantwortungsbereich vereinbaren können.
Mehrarbeit auf Grund von Fehlzeiten?
Die Fülle an Arbeitsaufgaben bei hoher Arbeitsverdichtung nimmt keine Rücksicht darauf, ob alle Stellen besetzt sind oder wie hoch der Krankenstand gerade ist. Wir erleben hier eine auseinanderdriftende Entwicklung von Einzelnen mit hohem Pflichtgefühl, die verlässlich da sind und tun, was zu tun ist – und das selten in nur acht Stunden am Tag und anderen, deren Schwelle, mal eben wegen Krankheit auszufallen, immer niedriger wird. Jahr 2023 belief sich der durchschnittliche Krankenstand in der gesetzlichen Krankenversicherung auf rund 6,76 Prozent. Damit ist der Krankenstand im Vergleich zum hohen Wert des Vorjahres (5,6 Prozent) nochmal um rund 20 Prozent auf ein Rekordhoch gestiegen (Quelle: Durchschnittliche Krankheitstage bis 2023 | Statista). 20 Arbeitstage pro Kopf im Durchschnitt waren es in Deutschland im Jahr 2023, das sind vier Wochen Ausfall zusätzlich zu den meist gewährten 30 Urlaubstagen (sechs Wochen). Manchmal zeigt sich, dass diese Tage vor oder nach dem Wochenende liegen oder vor oder nach einem regulären Urlaub. Wäre nicht ein Schelm, der Böses dabei denkt?
Wir fragen uns, ob das eher an der Unternehmenskultur liegt oder an unserer Gesellschaft in der Zeit der allgegenwärtigen Krisen und Gefahren, deren Individuen mehr und mehr an das eigene Wohl und den eigenen Vorteil denken. Gleichzeitig fühlen sich im aktuellen Arbeitnehmermarkt viele Mitarbeitende sicher und erlauben sich Verhaltensweisen, die bei einem höheren Angebot an Fachkräften nicht möglich wären. Doch was kann man tun?
Zum einen empfehlen wir, die ständig Mehrarbeit leistenden Mitarbeitenden mit viel Disziplin und Pflichtgefühl einerseits gezielt zu identifizieren, wertzuschätzen und zu fördern und gleichzeitig dafür Sorge zu tragen, dass diese nicht in die ständige Überforderung gehen und ausbrennen. Auch ist auf das Einhalten der Grenzen der maximal zulässigen dokumentierten Arbeitszeit zu achten, um sich nicht als Arbeitgeber in Haftungsrisiken zu begeben! Gleichzeitig sind konsequent BEM-Maßnahmen in wiederkehrenden und auffälligen AU-Fällen durchzuführen, allen voran Rückkehrgespräche und das Zeigen von Aufmerksamkeit. Selten und in besonders hartnäckigen Fällen sind jedoch auch Trennungen nicht zu vermeiden, die auch im öffentlichen Dienst möglich sind und Zeichen setzen können. Mit einem strategisch geplanten und Akzeptanz findenden betrieblichen Gesundheitsmanagement und der Inanspruchnahme von kostenlosen Präventionsmaßnahmen beispielsweise von der Deutschen Rentenversicherung mit dem Programm RV fit (Quelle: Startseite | RV Fit (rv-fit.de) können Unternehmen zusätzlich zur Gesundheit ihrer Arbeitnehmenden beitragen. Schließlich ist gesunde und wertschätzende Führung ein wesentliches Element, damit man gerne arbeitet. Mitarbeitende kommen zum Unternehmen, und verlassen ihren Chef!
Weil es so wichtig ist, gehen wir daher in der nachfolgenden Kolumne auf die Zusammenarbeit und möglichen Konflikte zwischen verschiedenen Generationen im Unternehmen und die oft damit verbundenen unterschiedlichen Kommunikations- und Führungsstile ein – und wie sie sich unterscheiden.
Bis dahin wünschen wir Ihnen viel Erfolg bei der Umsetzung der Anregungen in diesem Beitrag, damit Sie sich in der Arbeitswelt von heute schon besser auf die von morgen einrichten können.
Pia Drauschke und Stefan Drauschke