Die aktuellen Zeiten mit ihren großen Krisen sind schon sehr besondere. Mehr als 2 Jahre Corona-Pandemie und eine unumkehrbare Erderhitzung spätestens am Ende dieses Jahrzehnts, wenn die 1,5 Grad Klima-Ziele bis dahin weiter verfehlt werden, reichen offenbar nicht aus. Nun gibt es auch noch einen Angriffskrieg mitten in Europa, von dem wir lange glaubten, dass er in die heutige aufgeklärte Zeit eines „Homo Sapiens“ gar nicht mehr passt – und dann noch mit jedem Potential einer weltweit vernichtenden Eskalation!
Doch auch im beruflichen Umfeld erleben wir immer wieder, dass beispielsweise Führungskräfte plötzlich den Hut nehmen müssen oder in einzelnen Krankenhausbereichen Mitarbeitende in Scharen kündigen, weil sie es nicht mehr aushalten können und wollen, dort ihren Dienst zu verrichten.
All dies sind Folgen eines misslungenen oder gar nicht erst eingeleiteten Konfliktmanagements, weil vielleicht Konflikte nicht als solche frühzeitig erkannt wurden oder man sie ignoriert hat, geschweige denn proaktiv und konstruktiv mit ihnen umgegangen wurde. Wir wollen daher diese Kolumne dem Konfliktmanagement widmen, damit Sie die Welt in Ihrem Umfeld durch die leichtere Lösung „Ihrer“ Konflikte ein wenig besser machen können.
Konflikte verursachen hohe Kosten
Für die „kühlen RechnerInnen“ unter Ihnen möchten wir betonen, dass ungelöste Konflikte sehr viel Geld und Ressourcen kosten. KPMG hatte 2009 die Daten von 111 Unternehmen ausgewertet (https://kpmg-law.de/content/uploads/2018/07/2009_Konfliktkosten_Reibungsverluste_in_Unternehmen.pdf) im Hinblick auf Kollateralschäden bei Konflikten und drei sich wechselseitig beeinflussenden Dimensionen „Person – Team – Organisation“ identifiziert. Der vermeintliche Kampf gegen das eigene Unternehmen führt nicht selten zu Diebstahl, Unterschlagung, Dienst nach Vorschrift oder Absentismus. Hohe Fluktuation führt zu Kosten bei der Personalsuche und der Einarbeitung. Patienten oder Kunden werden schlecht behandelt, Projekte nicht oder schlecht bearbeitet, Ziele werden nicht erreicht. In der Organisation sind häufig Über- oder/Unterregulierung, Bürokratie, und Misstrauenskultur die Folge. Dabei liegt es nahe, dass Vertrauen das beste Mittel ist, um Bürokratie in Grenzen zu halten.
Laut der Studie werden 10 bis 15 % der Arbeitszeit im Unternehmen für Konfliktbewältigung verbraucht, bei Führungskräften sogar 30 bis 50 %. Fehlzeiten aufgrund betrieblicher Ängste und Mobbing am Arbeitsplatz belasten Unternehmen in Deutschland jährlich mit ca. 30 Milliarden Euro. Die Kosten pro Mobbing-Fall betragen im Durchschnitt 60.000 Euro und Fluktuationskosten (Brain-Drain), Abfindungszahlungen und Gesundheitskosten aufgrund innerbetrieblicher Konflikte belasten Unternehmen jährlich in Milliardenhöhe. Positiv formuliert: 25 % des Umsatzes hängen von der Kommunikationsqualität im Unternehmen ab! Es lohnt sich also, sich mit dem Thema eingehender zu beschäftigen.
Woher kommt der Begriff „Konflikt“?
Schon die Herkunft des Wortes „Konflikt“ beschreibt deutlich, worum es geht. Entlehnt aus dem lateinischen bedeutet „conflictus“ das Zusammenschlagen, feindlicher Zusammenstoß und Kampf. Das Verb „fligere“ bedeutet (an)schlagen, zu Boden schlagen. Das ist unangenehm und es ist nur natürlich, dem aus dem Weg gehen zu wollen. Wahrscheinlich erklärt das die Scheu vor Konflikten vieler Führungskräfte, die leider die weitere Eskalation ungewollt befördern. Wir postulieren daher ganz klar, dass es eine Aufgabe mit sehr hoher Priorität von Führungskräften ist, Konflikte zu erkennen und sich damit konstruktiv zu befassen, egal, ob sie selbst Konfliktpartner sind oder sich Konflikte in ihrem Einflussbereich – oder darüber – abzeichnen.
Konflikte erkennen
An folgenden Beispielen für Symptome können Sie – bei sich selbst und Anderen – erkennen, dass Konflikte bevorstehen und ggf. schon kurz vor dem Ausbruch sind:
Ablehnung und Widerstand tauchen auf mit häufigem Widersprechen, Ideen werden sofort angegriffen und Trotzreaktionen erfolgen. Feindseligkeit entwickelt sich mit Ungeduld, verletzenden und abwertenden Bemerkungen und gereiztem Klima. Die Gerüchteküche wird angefochten, man redet schlecht übereinander. Ein weiteres Symptom ist Sturheit, und zwar ohne nachzugeben sowie das pedantische Einhalten von Vorschriften. Flucht ist wahrzunehmen, Kontakt wird vermieden, hohe Fehlzeiten treten auf und das Zusammensein ist wortkarg. Oder es ist eine unangemessene Überanpassung festzustellen, eigene Ideen werden nicht (mehr) vorgebracht, Kritik wird gänzlich vermieden. Desinteresse und Abschalten führt zu Rückzug, es wird nur das Nötigste getan, man kommt zu spät. Oft ist auch eine übertriebene Formalität zu beobachten mit distanzierter Höflichkeit und dem Betonen der schriftlichen Kommunikation. All das kommt Ihnen sicher bekannt vor und es ist richtig, wenn die inneren „roten Lampen“ angehen.
Konfliktarten
Wir unterscheiden drei wesentliche Arten von Konflikten, die oft auch ineinander übergehen. Der einfachste und „angenehmste“ ist der Sachkonflikt. Er entsteht dann, wenn sich die Konfliktparteien zwar über das Ziel oder die Vision im Grunde einig sind, jedoch nicht über z.B. den Weg oder den Einsatz von Mitteln. Hier kommt man mit sachlogischen Argumenten weiter und mit Nutzenabwägungen in morphologischen Kästen, Kalkulationen etc. Schwieriger wird es mit bei Werte- und Zielkonflikten. Sie treten auf, wenn Prinzipien, Grundsätze und Glaubenshaltungen oder auch kulturelle und persönliche Werte unvereinbar erscheinen. Auch wenn zwei Parteien offen oder verdeckt unterschiedliche Ziele verfolgen, kommt es zum Konflikt dieser Art. Ein Beziehungskonflikt erscheint dann, wenn sich die Konfliktparteien sich wechselseitig „entwerten“, verletzen, missachten, kränken o.ä. und in Folge störende zwischenmenschliche Spannungen und Aggressionen auftauchen. Ein Beziehungskonflikt kann auch entstehen, wenn eine Partei ein Ziel nur auf Kosten der anderen Partei erreichen kann. Hierunter fallen auch Rang- und Machtkonflikte. Generell können Konflikte heiß oder kalt sein, d.h. entweder mit viel Energie und Getöse leicht wahrnehmbar, oder aber still, langwierig, eisig.
Abb.: Konfliktarten (Quelle: NextHealth)
Eine besondere Form stellen innere Konflikte dar, die man mit sich selbst und sich widerstrebenden inneren Anteilen, Werten oder Überzeugungen austrägt. Diese sind oft die am meisten belastenden Konflikte, wenn man sie nicht auflöst, wofür ein Business-Retreat (www.nexthealth.de/business-retreat/) bestens geeignet ist.
Eskalationsstufen
Friedrich Glasl hat ein anschauliches Modell entwickelt, nachdem man 9 Eskalationsstufen auf 3 Ebenen differenzieren kann (Glasl., F., Konfliktmanagement: Ein Handbuch für Führung, Beratung und Mediation Gebundene Ausgabe – 11., Februar 2020, ISBN-10 : 3772528120). Die erste Ebene (win-win, Stufe 1-3) ist der Beginn, der Konflikt ist schon sicher wahrnehmbar, und die Konfliktpartner können noch im Gespräch miteinander gute Lösungen finden. Die zweite Ebene wird schon heftiger (win-lose, Stufe 4-6), man möchte den Anderen niederringen, obsiegen, und dafür sind manche Mittel recht. Maximal bis Stufe 5 kommt man ohne einen sich einschaltenden „Dritten“ aus, ab Stufe 6 ist dieser obligat. Die dritte Stufe ist desaströs (lose-lose, Stufe 7-9). Man will sich gegenseitig vernichten, der Kampf findet mit allen Mitteln statt, bei Stufe 9 geht es lieber selbst mit in den Abgrund, wenn dann der Gegner wenigstens auch vernichtet ist. Hier hilft nur heftige Intervention einer höheren Macht von außen. Manche von Ihnen mögen dabei an dumpfe Ankündigungen eines aktuellen Kriegstreibers von „Konsequenzen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat“ denken.
Konfliktlösung
Leicht zu merken für die praktische Vorgehensweise einer Konfliktlösung ist das sog. „STABEN“- Modell (https://wordpressstorageaccount.blob.core.windows.net/wp-media/wp-content/uploads/sites/679/2018/07/Conflict-Resolution-Process-Resolution-Wkst.pdf). Die sechs Buchstaben stehen für folgende Begriffe: Source (Quelle), Time&Place (Ort und Zeit), amicable (freundlich und freundschaftlich), Behavior (Verhalten), Emotion (Gefühl), Needs (Bedürfnisse).
In wenigen Sätzen und im Überblick formuliert bedeutet STABEN folgendes: Am Anfang ist die Herkunft des Konfliktes zu analysieren, worum es genau geht, wer sind die Konfliktpartner und deren Interessen. Dabei ist für Gespräche die Wahl einer passenden Zeit und eines geeigneten Ortes wichtig, um dem Konfliktpartner adäquat zu begegnen. Bei all dem ist ein freundlicher Ton zu pflegen und nur das konfliktträchtige Verhalten des anderen hervorzuheben, ohne Verallgemeinerungen oder Ergänzungen, was sonst noch nicht an ihm/ihr stimmen könnte. Die eigenen Gefühle und die des Konfliktpartners sind dabei als Ich-Botschaften wechselseitig zu transportieren sowie die jeweiligen Bedürfnisse. Auf dieser Grundlage können dann gemeinsam Lösungen entwickelt werden, die möglichst so sind, dass jede/r das Gesicht wahrt, Vorteile erlangt oder Nachteile vermeidet und Teil der Lösung sein kann.
„Einfacher gesagt als getan“, denken Sie sich nun sicher und das nimmt man ja auch aktuell im kriegerischen Konflikt „nebenan“ wahr. Natürlich gehört zu einer Lösung immer ein guter Wille. Wenn dabei die Eskalationsstufe jenseits der 5 liegt, wie es aktuell der Fall ist, dann geht ohne externe Hilfe einer höheren Macht sowieso nichts, und diese Institution oder Person muss erst einmal gefunden werden.
Konfliktlösung ist ein weites Feld und noch besser ist Konfliktprophylaxe. Auf beides werden wir in der nächsten Kolumne ein wenig ausführlicher eingehen. Nun wünschen wir uns, dass Sie schon jetzt die Sie umgebenen Konflikte anders und mit ein wenig Neugierde wahrnehmen als bisher, damit Sie sich spätestens nach Lektüre der nächsten Kolumne mit Freude an die Lösung machen können.
Pia Drauschke und Stefan Drauschke, Berlin im März 2022