Über das Versagen im Management und die Widerstandskraft gegen Krisen
Diesmal unser Thema: Wie Selbstüberschätzung und das Leben im
Elfenbeinturm ins Aus führen können – und wie regelmäßige Auszeiten,
Selbstreflexion und positives Denken widerstandsfähig gegen Krisen
machen.
Kennen Sie diesen Fall? Er hat ein Studium der Wirtschaftswissenschaften absolviert mit Abschluss zum Masters Degree und Promotion. Er war 3 Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Exxon, 4 Jahre bei der US Navy und 4 Jahre Lehrender an der George Washington University. 3 Jahre war er Staatssekretär im US-Innenministerium und 12 Jahre Chef verschiedener Erdgasfirmen. 16 Jahre lang war er CEO eines schnell wachsenden Energiehandelsunternehmens und – verantwortlich für eine der größten Pleiten der US-Geschichte in Höhe von 60 Mrd. US-Dollar! Er wurde verurteilt wegen Bilanzbetrug und Anlegertäuschung und ist vor der Verkündung des Strafmaßes an einen Herzanfall verstorben. Es handelt sich um Kenneth Lay, ehemaliger CEO von Enron, der ein klassisches Beispiel von „Management Derailment“ darstellt, also das Entgleisen einer bis dahin lupenreinen Erfolgskarriere. Einige Parallelen zu einem aktuellen Fall aus dem Krankenhausmanagement kommen einem in den Sinn, wenn man über Kennzeichen von langfristig erfolgreichen Managern nachdenkt, die nach oft beeindruckenden und nachhaltigen Karrieren irgendwann versagen oder sogar „abstürzen“.
Sie alle sind intelligent, ambitioniert und ehrgeizig sowie bereit, sich stark zu engagieren und viel zu geben, doch viele verlieren den Bezug zu ihrem Umfeld und sind so von sich überzeugt, dass sie Hinweise von außen kaum noch wahrnehmen und auch ein eigenes (Un-)Rechtsverständnis entwickeln, das den einen oder anderen Fehlgriff in deren Welt als normal und noch immer rechtmäßig erscheinen lässt.
In einer Studie von McCall & Lombardo (1983) wurden zunächst erfolgreiche Manager beschrieben, die dann plötzlich versagt hatten. Sie alle galten als intelligent, ambitioniert, ehrgeizig und bereit viel zu geben mit hohem Potential und beeindruckenden Karrierepfaden. Als Gründe für Derailment wurden folgende Eigenschaften identifiziert: Mangelnde Sensibilität, oft aggressiv und einschüchternd, arrogantes und distanziertes Auftreten, Vertrauensmissbrauch, alles selber machen wollen, mangelnde Delegation, überambitioniert, mangelndes strategisches Denken, keine Anpassung des Führungsstils an geänderte Situationen und keine gute Mannschaft im Rücken. In einer Weiterführung der Studie von Eichinger und Lombardo 2003 kamen hinzu: Probleme, harte Entscheidungen zu treffen sowie ein Team zu bilden und zu führen, Mangel an interpersonaler Handlungssicherheit, Unfähigkeit im Umgang mit Konflikten und geringe Selbstaufmerksamkeit. Die Tendenz sich zu überschätzen, persönliche Grenzen einzugestehen, die Wirkung auf andere nicht hinreichend zu erkennen und mangelnder selbstkritischer und konstruktiver Umgang mit Fehlern erhöhen die Wahrscheinlichkeit zu versagen erheblich.
Doch was schützt Sie vor „Derailment“? Es geht vor allem um Selbstführungskompetenzen wie Introspektion und Reflexion, die eine Art Radar und GPS in einem darstellen, um in rauher Umgebung die Orientierung zu behalten. Wenn man weiß, welches Verhalten in welchem Kontext gängig und förderlich ist – und welches nicht, wenn man seine Stärken und Engpässe kennt und auch die eigenen „Abgründe“ der Persönlichkeit, wenn man gelernt hat mit seinen Gefühlen umzugehen und diese in Maßen zu kontrollieren (wir nennen das „state control“), wenn man ein positives Menschenbild hat, positiv denkt und lebenslanges Lernen und Wachsen zu seinen Grundsätzen zählt, dann hat man gute Chancen, auch Krisen wohlbehalten zu überstehen und gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit für Krisen zu verringern. Menschen mit solchen Eigenschaften verfügen über eine hohe Resilienz.
Resilienz
Der Begriff kommt als Verb aus der lateinischen Sprache (resilire) und bedeutet ursprünglich „zurückspringen, abprallen“. Die Fähigkeit, mit Krisen besser umgehen zu können nennt man Resilienz. Die Melange aus hohem Wissen und Know-How im eigenen Kontext in Verbindung mit großer physischer und psychischer Widerstandsfähigkeit führt dazu, dass man Krisen deutlich besser übersteht. Psychische Widerstandsfähigkeit lässt jemanden noch handeln und Entscheidungen treffen, wo viele andere bereits aufgegeben hätten. Resilienz ist nicht nur eine Eigenschaft einzelner Individuen, sondern auch eine von sozialen Systemen wie beispielsweise Unternehmen und kann in deren Kultur verankert sein. Es geht schließlich darum, Schwierigkeiten und Belastungen im Leben bzw. im Geschäftsgang anzunehmen und damit besser umzugehen.
Resilienz macht Unternehmen fähiger, Krisen besser zu meistern und auch von diesen zu lernen und sich dabei sogar zum Positiven zu entwickeln. Die Fähigkeit mit Wandel umzugehen, auch Changeability genannt, ist damit eng verwandt und basiert auf ähnlichen Stärken und Eigenschaften. Über mehr oder weniger Resilienz zu verfügen ist kein Schicksal, sondern man kann sie erlernen als Ergebnis eines dynamischen Anpassungsprozesses. Durch Forschung gesicherte Resilienzfaktoren sind beispielsweise Zielstrebigkeit, Fähigkeit, positive Emotionen in sich selbst zu wecken, Optimismus, eine grundsätzlich lebensbejahende Grundhaltung, eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung, d.h. Vertrauen in sich, Anforderungssituationen aus eigener Kraft heraus erfolgreich zu meistern sowie nicht zuletzt hohe soziale Unterstützung, d.h. ein gutes Netzwerk, auf das man zurückgreifen kann (Quelle: Beilage „Gesundheit“, S. 4-6 zu managerSeminare, Heft 212, November 2015).
Doch was gehört noch dazu, wenn man seine Resilienz oder die seines Unternehmens verbessern möchte.
Umgang mit Stress:
Wenn einem klar wird, dass Stress in einem selbst entsteht, indem man
Reize von außen in einer stresserzeugenden Art im Inneren verarbeitet,
dann ist klar, wo der Ansatz für Verbesserung liegt. Eine interessante
Feststellung ist in diesem Zusammenhang, dass nicht wesentlich ist, was
Sie wahrnehmen, sondern wie Sie es wahrnehmen! Darin liegt natürlich
auch die Lösung. Wirklichkeit wird im eigenen Kopf konstruiert, Probleme
auch. Indem die Differenz zwischen Soll und Ist kleiner gedacht wird,
senkt man den Stresslevel schon einmal erheblich – für sich und auch für
andere im Unternehmen. Dies ist ein Teil von sog. „gesunder Führung“,
wenn wir damit in Unternehmen zu tun bekommen.
Die eigenen Batterien regelmäßig aufladen:
Schon die berühmte systemische Familientherapeutin Virginia Satir hat
den Begriff des „low pots“ geprägt, den ziemlich leeren „Topf“ im
eigenen Haus, der einen nicht mehr adäquat auf äußere Reize reagieren
lässt. Sorgen Sie für genügend Schlaf und gute, eher knappe Ernährung
mit den richtigen Lebensmitteln. Leistung ist keine Einbahnstrasse, zur
Spannung gehört auch Entspannung. Batterien gehören wieder aufgeladen
und ein Auto muss auch gewartet und getankt werden, damit es lange und
weit fahren kann.
Immer wieder Pausen machen:
Erholen Sie sich öfter und regelmäßig, das ist besser als ein
ausgedehntes Sabbatical nach einer ebenso langen Periode von 6-7
Tage-Wochen mit 12 Stunden oder mehr Arbeit am Tag. Gefährlich ist, dass
wenn Sie im Dauerstressmodus sind, das eigene Gefühl für Anspannung und
Erholungsbedürfnis für eine Weile verloren geht – bis es gar nicht mehr
geht und der so oft zitierte Burnout naht als letzter Hilfeschrei Ihres
Körpers, bevor noch Schlimmeres passiert. In diesem Zusammenhang
spricht Dr. Gunter Schmidt auch von der sog. „Burn-Out- Kompetenz!
Nicht ständig erreichbar sein:
Digitale Abstinenz von Zeit zu Zeit tut gut. Sie müssen nicht immer für
jeden erreichbar sein. Wer ständig seine Mails, whatsapps etc. checkt
und mit der Aufmerksamkeit zwischen Aufgabe und Nachrichten ständig
pendelt, bekommt in seiner Zeit weniger geschafft, als wenn man sich
fokussiert und nur phasenweise in die Konversation mit wem auch immer
geht. Auch beschleunigt sich Ihr Leben in einer nicht immer wohltuenden
Art und Weise, Muße geht verloren und Dringlichkeit überrennt häufig
das, was Ihnen wirklich wichtig ist.
Achtsamkeit und Reduktion von Komplexität:
Im Hier und Jetzt zu sein, wahrnehmen ohne werten ist in der Zeit der
allgemeinen Beschleunigung vielen verloren gegangen, doch ist es die
wesentliche Strategie auf dem Weg zu psychischer Widerstandskraft und
dem Zugang zur eigenen Intuition sowie zur Klarheit und Stärke im
Augenblick des Geschehens. Ein Mittel, um dies zu erlangen sind die
verschiedenen Formen der Meditation, die mit und vor allem auch ohne
jeden religiösen Hintergrund in vielen Gesellschaften seit Jahrtausenden
kultiviert werden. Auch in der westlichen Welt kommt diese Erkenntnis
langsam an und nicht umsonst boomen Kurse über Mediation für Manager in
den unterschiedlichsten Formen.
Wenn Sie mehr von all dem für sich erschließen wollen, ist Coaching oder ein intensiver Prozess wie beim Business-Retreat das Mittel der Wahl für Sie. Es ist sicher erstrebenswert, mit mehr Freude und Leichtigkeit bessere Ergebnisse zu erreichen und für Krisen besser gewappnet zu sein. Dafür lohnt es sich, alte Gewohnheiten und Denkweisen auf einer anderen „Flughöhe“ in Frage zu stellen, schlechte Gefühle loszulassen und mit allen Mitteln für die eigene Resilienz und die seines Unternehmens zu sorgen.
Ihre Pia Drauschke und Stefan Drauschke
Berlin, im März 2018
Erschienen in: Klinik Markt inside, 02/2018 vom 29.01.2018, Seiten 11-13