Was Strategieentwicklung wirksam werden lässt

Was Strategieentwicklung wirksam werden lässt

Stellen Sie sich vor, es gäbe einen Strategieentwicklungsprozess, der dann, wenn Sie ihn tatsächlich als Führungsteam Ihres Hauses zur Anwendung bringen, Ihr Unternehmen mit einiger Sicherheit in eine neue, zukünftige Wirklichkeit führen würde.

Das klingt verlockend, nicht wahr, und das ist es auch. Doch damit es wirklich „funktioniert“, ist einiges zu beachten, was vor allem mit der Art und Weise zu tun hat, wie Sie Führung in Ihrem Haus leben und mit welchen Voreinstellungen und Überzeugungen Sie es bei Ihren Mitarbeitern und bei sich selbst zu tun haben. Weiterhin haben wir es auch heute noch gerade in Krankenhausunternehmen mit sehr unterschiedlichen Standes- und Entwicklungshistorien der Berufsgruppen, insbesondere der Ärzteschaft und der Pflege, zu tun, während gleichzeitig berufsgruppenübergreifende und patientenorientierte Prozesse sowie verschärfter Wettbewerb ein Umdenken erfordern, das den Einsatz moderner Changemanagement-Methoden in Verbindung mit stringenter Strategieentwicklung im Sinne von aktiver Zukunftsgestaltung bedingt. Die zu Grunde liegenden Vorannahmen und Prozessziele. Eine gute Strategie ist nur dann wirklich gut, wenn sie umgesetzt werden wird. Umsetzung aber gelingt nur, wenn Führung und Mitarbeiter gemeinsam daran arbeiten und eine echte Möglichkeit der Mitwirkung besteht.

Menschen entscheiden sich nur für das, was sie sich wirklich vorstellen können, und das gelingt am besten, wenn sie bei der Entwicklung einer zukünftigen Wirklichkeit (Strategie = Wirklichkeitskonstrukt) aktiv involviert waren. Mindestens eine „kritische Masse“ von Menschen im Unternehmen sollte von der Notwendigkeit des Wandels überzeugt sein, damit dieser auch tatsächlich in Gang kommt.

Ein solches Strategievorhaben verbindet in der Regel zwei Seiten einer Medaille: Mit den klassischen Methoden und Strategiewerkzeugen – Benchmarks, Analysen, Portfolios, Szenariound SWOT-Workshops etc. – werden Grundlagen für Unternehmensziele und Maßnahmen für einen spezifischen Zeithorizont erarbeitet und strategisches Projektmanagement in Gang gesetzt. Zeitgleich findet eine umfassende, konsequente und systematische sowie systemische Einbeziehung zahlreicher Mitarbeiter und Führungskräfte statt, um einen grundlegenden Wandel von innen zu initiieren. Ein Prozessziel besteht darin, dass so gut wie alle Mitarbeiter die Strategie mit ihren Zielen und Maßnahmen sowie ihren möglichen eigenen Beitrag zur Umsetzung kennen, zumindest teilweise mit erarbeitet haben und den Sinn dahinter verstehen. Daraus lassen sich folgende (Meta-)Ziele eines funktionierenden Strategieprozesses ableiten:

• Ein moderierter Top-down-Bottom-up-Strategieprozess ist geplant und in Gang gesetzt mit weitgehender Involvierung einer Vielzahl von Mitarbeitern.
• Es ist von einem Projektverlauf von fünf bis sieben Monaten auszugehen, in dem zumeist drei bis vier  Großgruppenkonferenzen verschiedener Formate zum Einsatz gekommen sind, die intelligente Partizipation (nicht:  Basisdemokratie) ermöglicht haben.
• Im Verlauf ist der zukünftige Zustand und was uns dorthin trägt mit einer aussagefähigen Vision und Mission sowie mit „smarten“ strategischen Zielen inkl. dazugehöriger Soll-Werte (Kennzahlen und Kennwerte) beschrieben.
• Laufende Projekte sind erfasst und bewertet und weitere identifizierte Maßnahmen und Projekte sind zu Handlungsfeldern und zu einem strategischen Plan (Roadmap) verdichtet.
• Ein strategischer Prozess und eine Struktur zur fortlaufenden Überprüfung und Anpassung der Strategie (=Metaprogramm) mit einem funktionierenden Metaprogrammmanagement sind etabliert.

Der Strategieentwicklungsprozess

Zu Beginn des Prozesses wird das Führungsteam als Veränderungskoalition und Entscheidungsgremium (K1) in zwei bis drei Vorworkshops gestärkt, die Dringlichkeit der Veränderung bewusst herausgearbeitet und zukünftige strategische Stoßrichtungen auf der Basis von Einflussfaktoren und einer Stärken/Engpassbetrachtung erarbeitet. In spezifischen, flankierenden Arbeitsgruppen werden die für die Strategieentwicklung typischen Analysemaßnahmen durchgeführt, um eine klare Sicht auf den gegenwärtigen Zustand des Unternehmens zu erhalten und gleichzeitig zukünftig zu erwartende Entwicklungen mit einzubeziehen. Das von uns entwickelte Vierschichtenmodell® für wirksame Veränderung, das J. Kotter in ähnlicher Form als die parallel zum Organigramm existierende, zweite, schnelle Veränderungsstruktur beschreibt, kommt konsequent zur Anwendung. In der Regel folgt dann als eigentlicher Prozessauftakt eine zweitägige, sachlich und emotional anspruchsvolle berufsgruppenübergreifende Zukunftskonferenz mit 50-150 Führungskräften (K3) angelehnt an das future-search-Format (nach M. Weisbord & S. Janoff). Die Gruppe erschafft auf den Grundlagen der durchlebten Ist-Situation gemeinsam ein attraktives Zukunftskonstrukt, das im Laufe des weiteren Strategieprozesses immer weiter verdichtet und geschärft wird.

Dies erfolgt im Prozessverlauf in kleineren Arbeitsgruppen (K2), in denen sechs bis zehn komprimierte TOP-Ziele in den klassischen Zieldimensionen nach Kaplan und Norton erarbeitet und in einer zweiten Zielebene jeweils konkret für das Unternehmen als Beschreibung eines zukünftigen Zustandes ausgeführt werden. Zielgruppen werden definiert und deren Bedürfnisse aus Zielgruppensicht erarbeitet, um daraus neue Ideen für Dienstleistungen und Ausstattungsmerkmale abzuleiten.

Es folgt einige Wochen später eine weitere Führungskonferenz (K3), um das Arbeitsergebnis – die TOP-Ziele – „abzunehmen“. Gemeinsam werden ein zu den TOP-Zielen passende Vision und eine Mission entwickelt sowie ein Wertebild, denn Werte sind die Basis für attraktive Ziele und verbinden Unternehmenskultur mit Strategie.

Um das ganze System zu involvieren, hat es sich bewährt, im Prozessverlauf mit einer ganztägigen Open-Space-Konferenz (nach H. Owen) mit einer Vielzahl von Mitarbeitern aller Berufsgruppen und Hierarchiestufen (K4, 100-700 Teilnehmer) Umsetzungsmaßnahmen zu erarbeiten, mit denen die TOP-Ziele erreicht werden könnten. Hier entsteht das „Rohmaterial“ für die letztendlich strategierelevante Projektliste und Roadmap für die kommenden drei bis vier Jahre, die ein Strategieteam (K2) erarbeitet.

In einer Abschlusskonferenz der Führungskräfte (K3) wird die auf diese Weise gemeinsam erarbeitete, vollständige Unternehmensstrategie mit der Vision, Mission, den TOP-Zielen sowie der Roadmap kommuniziert und in einem feierlichen Ritual von jedem persönlich unterschrieben. Es ist wichtig, dass bereits jetzt der strategische Prozess für die Umsetzung in der Folgeperiode (PDCA-Zyklus – Plan-Do-Check- Act) mit zu startenden Projekten, weiteren Arbeitsschwerpunkten und Terminen für nachfolgende  Führungskonferenzen verbindlich kommuniziert wird.

Das Besondere daran

Der beschriebene Strategieprozesses zeichnet sich dadurch aus, dass er komplementär die „klassische“ Strategieentwicklung und systemische Organisationsentwicklung integriert. Auf der Grundlage fundierter Zahlen, Daten und Fakten sind die Mitarbeiter zur Mitgestaltung und Erarbeitung attraktiver Zukunftskonstrukte eingeladen. Dabei ist die Veränderungskoalition der Initiatoren des Strategieprozesses abzusichern und Dringlichkeit für alle Beschäftige herauszustellen. Das von uns entwickelte Vierschichtenmodell der Integration® (K1-K4) ermöglicht die systematische, berufsgruppenübergreifende Involvierung einer Vielzahl von Führungskräften und weiteren Leistungsträgern nach dem Top-Down-Bottom-Up-Ansatz. Sie können Ideen einbringen, Einwände können moderiert behandelt und Informationen ausgetauscht werden. Dabei liegen dem Prozess die Gedanken des angewandten Konstruktivismus zu Grunde. Wenn die Menschen im Unternehmen gemeinsam ein inhaltlich attraktives und emotional ansprechendes Zukunftskonstrukt selbst erarbeiten, erzeugt dies einen Sog und sie arbeiten direkt und indirekt daran, diese Gedanken und Pläne auch selbst zu verwirklichen. Gemeinsam in einer Gruppe getroffene Entscheidungen haben deutlich mehr Wirksamkeit und Compliance, als von oben herangetragene. Gleichzeitig ist der Weg auch das Ziel, denn wenn man die Kommunikation in einer Organisation (in einem System) ändert, verändert sich auch die Organisation als solche. Die Vielfalt der Großgruppenformate wird von uns zu einem tragfähigen Prozess kombiniert, der oft eine vollkommen neue Arbeits-, Kommunikations- und Gruppenerfahrung für die Teilnehmer darstellt. Schließlich sind das Commitment der Führungskräfte und die systematische Umsetzung der Strategie wesentlich. Von Anfang an wird den teilnehmenden Führungskräften klar, dass am Ende die persönliche Unterschrift unter der Strategie die Verbindlichkeit im Sinne einer Entscheidung für das Neue unterstreichen wird. Dadurch werden Einwanddiskussionen sehr intensiv und ernsthaft geführt und die Bedeutung des Prozesses für die Beteiligten wird erhöht. Ein systematischer Umsetzungsprozess mit einem professionellen Metaprogrammmanagement und einem konkreten Zeit- und Terminplan für die Folgejahre wird als Bestandteil der Strategie in den Strategiekonsens installiert. Damit kann die sonst übliche „Refraktärzeit“ nach Abschluss der Entwicklungsphase kurz gehalten werden. Die Umsetzung beginnt unmittelbar nach dem Strategiekonsens.

Fazit

Mit dieser Art, eine Strategie zu entwickeln und in die Umsetzung zu bringen, sind wir 2015 Finalistbeim Strategiepreis des Strategieforum e.V. geworden. Die Ergebnisse belegen zu einem überwiegenden Teil, dass dann, wenn die Führungskräfte im Unternehmen den Worten Taten folgen lassen und die Umsetzung konsequent voranbringen, die Strategie tatsächlich zum Erfolg im Sinne der gesetzten Ziele führt. Über die letzten zehn Jahre können wir auf eine Vielzahl von fähigen Führungskräften in Krankenhausunternehmen aller Größen – konfessionell, kommunal und privat – im deutschsprachigen Raum verweisen, die nachweislich mit dem beschriebenen Prozess eine langfristig erfolgreiche Entwicklung eingeleitet haben. Diese Erfolge schreiben wir uns jedoch nicht als externe Begleiter zu, sondern es sind immer die Resultate der jeweiligen Führungsteams, die den gebotenen Rahmen professionell, konsequent und nachhaltig im eigenen Unternehmen genutzt und umgesetzt haben.

Autoren:
Dipl. Vw. Pia Drauschke und Dr. med. Stefan Drauschke
(Klinik Markt inside, März 2015, Seiten 12-14) Für weiterführende Literaturhinweise stehen Ihnen die Autoren gern zur Verfügung, E-Mail: info@nexthealth.de