In der letzten Kolumne haben wir über die Wirkung von professioneller Partizipation gesprochen und auch den Zusammenhang mit der Resilienz, der Widerstandskraft gegen Krisen. Die Förderung der Selbstwirksamkeitserwartung war hier ein entscheidender Resilienzfaktor neben der sozialen Interaktion. In der „Berliner Wirtschaft“ 03/2023 führte Frau Jäckel, Leiterin des Bereiches Individual Placement und Support am Vivantes Klinikum am Urban aus, dass resiliente Unternehmen resiliente Mitarbeitende haben. Hier kommt den Führungskräften eine Schlüsselrolle zu, denn diese nehmen psychische Gesundheitskompetenz in den Fokus und können diese nachhaltig im Unternehmen verankern – oder auch nicht.
Wie oft erleben wir schlechtgelaunte, manchmal sogar regelrecht toxische Chef:innen, die ihren Leuten richtig Druck machen und bisweilen sogar Angst verbreiten. Das ist vielleicht „in deren Welt“ gut gemeint, um alles aus den Leuten „herauszuholen“ und das Unternehmen voranzubringen, doch es ist nicht gut gemacht. Durch Angst wird der Teil des Gehirns aktiviert, der für die Verarbeitung von Bedrohungen zuständig ist – die Amygdala (Mandelkern) – und dem präfrontalen Kortex, der für eine effektive Problemlösung verantwortlich ist, werden dadurch Ressourcen entzogen. Auch Mitarbeitende erlebt man öfter, wie sie über die Arbeit oder den Chef lästern – sogar vor Dritten oder zu Hause. Das vergiftet die Atmosphäre und stresst einen selbst und die Umgebung.
Spannend finden wir in diesem Zusammenhang die Ausführungen von S. Achor (Harvard Business review 01/2012), der sich auf dem Gebiet der positiven Psychologie einen Namen gemacht hat und hier lehrt und forscht. Viele von uns gehen davon aus, dass Erfolg zu Glück und Zufriedenheit führt. Shawn Achor vertritt die Ansicht, dass der Wirkmechanismus eher umgekehrt ist. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Leistung von Menschen, die mit einer positiven Einstellung arbeiten, auf fast allen Ebenen verbessert – Produktivität, Kreativität, Engagement.
Die meisten Menschen glauben, dass Erfolg dem Glück vorausgeht. „Sobald ich befördert werde, bin ich glücklich“, denken sie. Oder: „Wenn ich mein Ziel erreicht habe, fühle ich mich gut“. Aber Erfolg ist ein bewegliches Ziel – sobald man sein Ziel erreicht hat, hebt man es wieder an. Daher ist das Glück, das sich aus dem Erfolg ergibt, eher flüchtiger Natur.
Tatsächlich könnte es eher genau andersherum sein: Menschen, die eine positive Einstellung kultivieren, erbringen meist bessere Leistungen, wenn sie mit Herausforderungen konfrontiert werden. Und das Schöne ist, dass dies weder viel Zeit noch Geld kostet und gleichzeitig erhebliche positive Effekte generiert!
Achor hat diesen Effekt als Forscher und Dozent in 48 Ländern über den Zusammenhang zwischen Mitarbeiterglück und Erfolg beobachtet. In einer Meta-Analyse von 225 akademischen Studien fanden die Forscher S. Lyubomirsky, L. King und E. Diener starke Beweise für eine gerichtete Kausalität zwischen Lebenszufriedenheit und geschäftlichem Erfolg.
Nun macht es einen wichtigen Unterschied, ob Sie glauben, dass Ihre Gene oder Ihr Umfeld oder Ihre Erfolge darüber entscheiden, wie glücklich und zufrieden Sie sind, oder ob Sie selbst dafür aus sich selbst heraus Verantwortung übernehmen können. Wir beide glauben, dass die Art zu denken, Gewohnheiten, die Art und Weise, wie Sie mit Ihren Kollegen umgehen und auch wie Sie über Stress denken, starken Einfluss auf Ihr Glücksempfinden und Ihre Erfolgschancen hat.
Neue Gewohnheiten entwickeln
Neue Erfahrungen und neue Gewohnheiten trainieren Ihr Gehirn wie das Training Ihrer Muskeln im Fitnessstudio, wobei Neuroplastizität noch bis zum hohen Erwachsenenalter besteht. Schon drei Wochen lang jeden Tag eine kurze positive Übung zu machen, kann eine nachhaltige Wirkung haben, wie Achor mit Wirtschaftsprüfern bei KPMG in New York zeigen konnte. Diese sollten 1-2 von folgenden Übungen drei Wochen lang täglich durchführen:
- Schreiben Sie drei Dinge auf, für die sie dankbar sind.
- Schreiben Sie eine positive Nachricht an jemanden aus ihrem sozialen Netzwerk.
- Meditieren Sie zwei Minuten lang am Schreibtisch.
- Treiben Sie 10 Minuten lang Sport.
- Nehmen Sie sich zwei Minuten Zeit, um in einem Tagebuch die bedeutsamsten, positiven Erfahrungen der letzten 24 Stunden zu beschreiben.
Nach drei Wochen waren die Teilnehmer der Versuchsgruppe im Vergleich zu einer Kontrollgruppe signifikant engagierter, weniger deprimiert und genossen ein besseres allgemeines Wohlbefinden. Auch vier Monate später wies die Experimentalgruppe immer noch deutlich höhere Werte für Optimismus und Lebenszufriedenheit auf.
Stärken Sie soziale Kontakte
Von den fünf oben beschriebenen Aktivitäten ist der positive Umgang mit Menschen in ihrem sozialen Unterstützungsnetz möglicherweise die effektivste. Eine starke soziale Unterstützung korreliert mit einer erstaunlichen Anzahl wünschenswerter Ergebnisse. So zeigen beispielsweise Untersuchungen von J. Holt-Lunstad, T. Smith und B. Layton, dass ein hohes Maß an sozialer Unterstützung die Lebenserwartung ebenso zuverlässig vorhersagt wie regelmäßiger Sport, und dass geringe soziale Unterstützung ebenso schädlich ist wie hoher Blutdruck. Die Vorteile sozialer Unterstützung sind nicht nur körperlicher Natur. In einer Studie mit 1648 Harvard-Studenten, die Achor zusammen mit P. Stone und T. Ben-Shahar durchgeführte, zeigte auf, dass soziale Unterstützung der beste Prädiktor für Glück in Zeiten hoher Belastung ist. Die Korrelation zwischen Glück und der Zimet-Skala für soziale Unterstützung (https://gzimet.wixsite.com/mspss; Multidimensional Scale of Perceived Social Support (MSPSS)) betrug sogar 0,71 – zum Vergleich: die Korrelation zwischen Rauchen und Krebs beträgt 0,37! Diejenigen, die sozialen Beistand leisteten – Personen, die für andere einsprangen, Kollegen zum Mittagessen einluden und Büroaktivitäten organisierten – waren nicht nur zehnmal häufiger bei der Arbeit engagiert als diejenigen, die sich zurückhielten, sondern erhielten auch mit 40 % höherer Wahrscheinlichkeit eine Beförderung.
Ein schönes Beispiel für die Wirkung von positiver sozialer Interaktion im Gesundheitswesen zeigt ein Projekt von Achor mit Ochsner Health System auf, einem Betreiber von mehr als vierzig Kliniken und medizinischen Einrichtungen im US Bundesstaat Louisiana mit mehr als 11.000 Mitarbeitenden (https://www.ochsner.org/). Das Ziel war, die Unternehmenskultur an sich und das Patientenerlebnis zu verbessern. Kern war die Anwendung der 10/5 Regel: Führungskräfte und medizinisches Personal wurden über die Auswirkungen sozialer Unterstützung aufgeklärt und gebeten, ihr Verhalten zu ändern. Wenn sich Mitarbeiter im Krankenhaus einer anderen Person bis auf drei Meter (ca. 10 Fuß) nähern, sollten sie Augenkontakt herstellen und lächeln. Wenn sie sich einer Person auf weniger als zwei Meter (ca. 5 Fuß) nähern, sollten sie grüßen. Seit der Einführung von 10/5, die natürlich auch auf Widerstand bei Teilen der Belegschaft gestoßen ist, hat Ochsner einen Anstieg der Zahl der Patientenbesuche, einen Anstieg der Wahrscheinlichkeit, dass die Patienten das Unternehmen weiterempfehlen, um 5 % und eine deutliche Verbesserung der Bewertungen der medizinischen Leistung zu verzeichnen. Soziale Unterstützung scheint nicht nur zu zufriedeneren Mitarbeitern, sondern auch zu zufriedeneren Kunden zu führen. Dabei sind die laufenden Kosten der Initiative Null!
Ändern Sie Ihr Verhältnis zu Stress – und zu Stressoren
Stress ist ein weiterer zentraler Faktor für Glück und Zufriedenheit der Menschen bei der Arbeit. In der Regel konzentrieren sich Unternehmen auf Schulungen zur Stressbewältigung, um negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit erst anzunehmen und dann reduzieren zu helfen. In gewisser Weise kann das selbstverstärkend sein, weil Menschen lernen, davon gestresst zu sein, weil sie gestresst sind.
Dabei hat Stress auch positive Seiten, die Treibstoff für Wachstum sein können. Ihre Einstellung zum Stress kann die Auswirkungen von Stress auf Sie drastisch verändern. So hatten in einer weiteren Studie von Achor Führungskräfte die Aufgabe, sich eines von zwei Videos anzusehen: Das erste, in dem Stress als leistungsmindernd und gefährlich dargestellt wird, und das zweite, in dem detailliert beschrieben wird, wie Stress das menschliche Gehirn und den Körper stärken kann. Als man die Mitarbeitenden sechs Wochen später bewertete, stellten die Forscher fest, dass die Personen, die das „verbessernde“ Video gesehen hatten, auf der Stress-Mindset-Skala besser abschnitten, d. h. sie sahen Stress als leistungssteigernd und nicht als leistungsmindernd an. Und bei diesen Teilnehmenden gingen sogar die Gesundheitsprobleme deutlich zurück und die Zufriedenheit bei der Arbeit nahm deutlich zu. Neben dem Effekt von klassischem Priming scheint es – wie wir es bei unseren Seminaren gerne betonen – nicht so entscheidend zu sein, was Sie wahrnehmen, sondern wie Sie etwas wahrnehmen und bewerten.
Es liegt auf der Hand, dass sich auch Ihre Erfolgschancen verbessern, wenn Sie glücklicher werden im Sinne von mehr Freude, Zufriedenheit, Erfüllung und Wohlbefinden. Neue Gewohnheiten für positives Denken und Selbstwirksamkeit zu entwickeln, die Einstellung zu Menschen zu ändern, soziale Kontakte zu verbessern und positiv über Stress zu denken, sind gute Möglichkeiten, damit zu beginnen.
Pia Drauschke und Stefan Drauschke
Im März 2023