Gesund Führen – sich selbst und andere (1) (Change-Brief Nr. 65)

Peter Drucker hat einmal gesagt, dass Führungskräfte zuerst einmal für ihre eigene Energie zu sorgen haben. Auch aus systemischer Sicht ist das an sich klar. Sie führen nur, wenn man Ihnen folgt, und man folgt Ihnen am ehesten, wenn Sie auf einem guten Energieniveau über eine vorbildhafte, gesunde Ausstrahlung verfügen.

Sie haben keine Zeit, sich ausreichend zu bewegen, sich (halbwegs) gesund zu ernähren und Ihre Gedanken im Griff zu haben? Wenn Sie diesen Einwand (oder Vorwand?) als charismatischer und analytischer Chef von einem Leistungssportler hören würden, der sich körperlich und geistig „gehen“ lässt, weil er vor lauter Wettkämpfen nicht mehr für sich und seine Entwicklung sorgen kann, würden bei Ihnen alle Alarmglocken läuten. Und dennoch fällt es vielen Leistungsträgern und Führungskräften schwer, sich um die eigene Gesundheit zu kümmern.

Vor vielen Jahren haben wir in Zeiten großer beruflicher und gesundheitlicher Anspannung ein Seminar besucht bei den damals legendären Dres. Strunz und Spitzbart im ebenso bekannten „Hotel Schindlerhof“ von Klaus Kobjoll. Wir hatten deutlich das Gefühl, die Säge schärfen zu müssen in Zeiten hoher Leistungsdichte und haben uns dennoch – oder gerade deswegen – die Zeit gegönnt. Wie sich nun, mehr als 15 Jahre später noch immer herausstellt, war dies eine der besten Entscheidungen unseres Lebens. Auch wenn manche Darstellungen und auch die Darsteller bisweilen übertrieben wirkten, konnten wir bis heute wirksame und wichtige Entscheidungen für den Erhalt und die Vergrößerung unserer Führungskraft treffen. Das Seminar ging um nicht weniger als die drei Lebensthemen Bewegung, Ernährung und Denken.

Bewegung

Eine These war, dass Fett in ungesunder Zusammensetzung einer der größten Lebensfeinde sei und für viele Herz-Kreislauferkrankungen verantwortlich wäre. In den Kraftwerken unserer Muskelzellen wird Energie hergestellt in Form von ATP (Adenosintriphosphat) in der Regel aus Zucker. Wenn man sich nun regelmäßig im Sauerstoffüberschuss bewegt, so kommen die fettverbrennenden Enzyme zum Tragen und tun genau dies, sie verbrennen Fett. Und wenn Sie sich regelmäßig fünf bis sechs mal pro Woche nüchtern mindestens 30 Minuten so bewegen, dass Sie möglichst viele quergestreifte Muskelquerschnitte „ins Spiel“ bringen, beispielsweise durch Laufen oder Nordic Walking, dann setzen Sie einen physiologischen Entwicklungsreiz dahin, immer mehr fettverbrennende Enzyme zu produzieren und Sie verbrennen dann selbst noch Fett, wenn Ihr Körper nicht mehr in Bewegung ist. Sie werden sozusagen zu einer „Fettverbrennungsmaschine“ mit allen positiven Wirkungen auf Ihren Fettstoffwechsel. Als Nebeneffekt wurde versprochen, über mehr mentale Energie zu verfügen, länger wach und aufmerksam bleiben zu können, mit weniger Schlaf auszukommen und seltener von Erkältungskrankheiten geplagt zu werden. Das fanden wir sehr reizvoll und entschieden uns für dieses (Selbst-) Experiment. Zu Beginn gönnten wir uns ein Jahr lang maximal zehn Prozent Nichtlauftage (hieß bei 360 Tagen nur an 36 Tagen nicht zu laufen). Das bedeutete, jeden Morgen zwischen fünf und sieben Uhr aufzustehen, in die Laufschuhe zu schlüpfen und bei jedem Wetter loszulaufen – langsam, mit Pulsmesser im Sprechtempo und sozusagen täglich. Zu Beginn war es schwierig, nach einem Monat normal und heute sehen wir es ganz entspannt. Wir laufen seither kontinuierlich fünf bis sechs Mal die Woche bei jedem Wetter ca. fünf Kilometer jeden Morgen vor dem Frühstück in entspanntem Tempo (ca. 1.300 Kilometer pro Jahr!) und haben eine wunderbare Gewohnheit geschaffen, ohne die wir uns gar nicht mehr wohlfühlen würden. Der Vorteil: Es geht immer und überall, es braucht nur Schuhe und Joggingkleidung und das Beste ist, dass sich die ganzen oben beschriebenen Vorteile durchweg eingestellt haben. Und wer Beweise sucht, braucht nur einen Blick in die Fachliteratur zu werfen mit einer Unzahl von Studien, nach denen Sie vor Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauferkrankungen, Demenz, Depression einfach davonlaufen können. Daneben – und das ist wichtig für Kopfarbeiter wie Führungskräfte – gibt es nachweisbar bei „aerober körperlicher Arbeit“ im Sauerstoffüberschuss auch eine Vielzahl hämodynamischer und metabolischer Effekte mit einer messbaren Konzentrationsänderung von Neurotransmittern im zentralen Nervensystem. Vielleicht war es das, was Peter Drucker gemeint hat. Doch es hat auch im Privatleben Vorteile in vielen Lebensbereichen, die Ihnen wichtig sind. Dänische Forscher fanden in einer Longitudinalstudie über 35 Jahre eine um 44 Prozent verringerte Sterbewahrscheinlichkeit und eine um sechs Jahre verlängerte Lebenserwartung bei Menschen, die regelmäßig joggen, heraus. Wenn sich das nicht lohnt…

Abb. 1: Beim täglichen Laufen

Ernährung

Im Seminar war von „Leben essen“ die Rede, von mehr Frischem, mehr Abwechslung und reichlich vitaminreicher Kost. Sie bestehen aus dem, was Sie essen und trinken und alle Diäten, die Sie beginnen, hören irgendwann wieder auf. Daher geht es bei gesunder Ernährung um die kontinuierliche Umstellung Ihrer Ernährungsgewohnheiten an sich. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass mit der vermehrten Bewegung sich sozusagen automatisch auch der Appetit änderte hin zu gesünderem Essen, zu mehr Obst, Salat und eiweiß- sowie ballaststoffhaltiger Kost. Demnach ist es nicht empfehlenswert, morgens mit einem Kaffee ohne Frühstück ins Büro zu hetzen, mit viel Süßem den Heißhunger zwischendurch zu stillen und dann am späten Abend noch einmal richtig zuzulangen. Drei Mahlzeiten am Tag sind optimal mit fünf Stunden Abstand dazwischen – ohne Naschen von Keksen oder Süßigkeiten auf dem Konferenztisch. Frisches Obst tut es auch, wenn der Hunger danach verlangt. Dazu gehört, reichlich und über den Tag verteilt zu trinken, am besten mindestens zwei bis drei Liter Wasser oder dünner Tee am Tag bei Normaltemperaturen und natürlich ohne Zucker oder Süßstoff. Wenn Sie Zucker oder Salz systematisch reduzieren, werden Sie erstaunt sein, wie süß gutes Wasser schmeckt und wie schmackhaft auch ungesalzenes Essen sein kann. Über das „Zufüttern“ von Substanzen, die in der Nahrung in unseren Breiten nicht genügend vorkommen, kann man unterschiedlicher Meinung sein. Viele Lager sind sich jedoch einig, dass Vitamin C (natürliche Zubereitung und retardiert) zu ergänzen sinnvoll ist, weil es im wässrigen System als wichtiges Antioxidans wirkt. Die meisten Tiere können Vitamin C selbst produzieren, anstatt es mit der Nahrung aufnehmen zu müssen. Trockennasenaffen (also auch Menschen) und einige andere Arten können dies aufgrund des Fehlens des Enzyms L-Gulonolactonoxidase nicht und müssen es ausschließlich über die Nahrung zuführen. Zuviel des Guten vom Vitamin C wird unkritisch ausgeschieden, was bei den fettlöslichen Vitaminen wie A, D und E nicht der Fall ist und die Gefahr der Überdosierung mit sich bringt. Wem das alles zu theoretisch ist erinnere sich an den Satz „An apple a day keeps the doctor away.“

Verschiedene Studien legen wundersame, positive Effekte des Apfelverzehrs nahe für den Cholesterinstoffwechsel, verschiedene Krebsformen, Asthma und kardiovaskuläre Erkrankungen. Wir haben übrigens auch schon mit Heilfasten Erfahrungen gesammelt. Wenn Sie nach vier bis fünf Tagen vollkommenem Essensverzicht und extrem klarem Verstand wieder den ersten Bissen fester Nahrung zu sich nehmen, erschließen sich vollkommen neue Geschmackssensationen – es reinigt und lohnt sich wirklich!

Abb. 2: Ein Apfel am Tag…

Denken

Diesem Thema sollten wir eher eine ganze Kolumne widmen. Nur so viel sei schon hier gesagt: Nur ca. zehn Prozent Ihrer Hirnkapazität ist bewusstes Denken und Wahrnehmen, 90 Prozent bestehen aus unbewusster Verarbeitung von Informationen, die natürlich auch zu Ihnen gehört und Ihre Empfindungen und Entscheidungen maßgeblich beeinflusst. Zugang zu Ihrem inneren, unbewussten Betriebssystem, wie wir es nennen, mit seinen Filtern, Werten, Glaubenssätzen, Überzeugungen etc. können. Sie erlangen, wenn Sie sich im Nichtdenken üben wie es jeder Hochleistungssportler mit seinem Mentaltrainer praktiziert. Das ist leichter gesagt als getan, denn in unserem Kopf ist bei den meisten oftmals ein reges „Affengeschnatter“ von Gedanken und inneren Kommentaren zu Gange, das achtsame Wahrnehmung und Zugang zur inneren Stimme der Intuition kaum möglich macht. Wenn Ihre Gedanken beginnen zu schweigen, was sich im EEG durch eine schöne Sinuskurve bemerkbar macht und in der Empfindung einer wachen, inneren Ruhe entspricht, ist es so weit. Nicht umsonst sind heute Achtsamkeitstrainings und Meditation für Manager und Führungskräfte mehr und mehr in Mode gekommen, weil dies für die Verarbeitung von immer mehr Komplexität, die uns im Berufsleben umgibt, außerordentlich nützlich ist und auch gesund erhält.

Als wir Herrn Dr. Strunz am Abschluss des Seminars vor 15 Jahren im Sechsaugengespräch die Frage stellten, woher er die eindrücklichen Metaphern und die bildhafte Sprache hätte, empfahl er das Buch von Dr. R. Bandler „The Structure of Magic“. Damit war eine weitere Weiche in unserem Leben gestellt, die letztlich zur Veröffentlichung unseres neuen Buches „Führen von Menschen und Management von Prozessen im Gesundheitswesen“ führte. Die Erfahrungen aus dem damaligen Strunz-Seminar und aus vielen anderen hochspannenden Workshops und Ausbildungen haben wir im Programm unseres Business-Retreats kondensiert, der für Sie dann interessant ist, wenn Sie mehr für Ihre Selbstführungskompetenz tun wollen. Denn nur wer sich selbst führt, kann auch andere führen. Gesunde Führung von Mitarbeitern ist Gegenstand der nächsten Kolumne, für die wir Sie schon jetzt willkommen heißen.

Pia Drauschke und Stefan Drauschke, im April 2017

Erschienen in: Klinik Markt inside, 06/2017 vom 27.03.2017, Seiten 11-13