Vor die sieben Regeln, die wir Ihnen heute näherbringen möchten, setzen wir eine darüber stehende Metaregel: Man kann nicht nicht kommunizieren. Es handelt sich um das erste metakommunikative Axiom von PaulWatzlawick, der sich als Schüler von G. Bateson – Kybernetiker und Kommunikationswissenschaftler im 20. Jahrhundert – über das Wesen von wirkungsvoller Kommunikation viele nützliche Gedanken gemacht hat. Als Chef, Kollege oder einfach als Mensch kommunizieren Sie also immer, egal ob mit Ihrer Stimme, mit Ihrem Körper, Ihrem Ausdruck oder mit allem zugleich. Ist Ihnen bekannt, dass nur ca. sieben Prozent der vom Gegenüber aufgenommenen Informationen rein inhaltlicher Natur sind, ca. 38 Prozent Tonalität und 55 Prozent Körpersprache, wie der Sozialbiologie Mehrabian vor gut 50 Jahren bereits feststellte?
Viele Führungskräfte aller Berufsgruppen sehen Kommunikation als etwas Gegebenes an, das sie von Natur aus beherrschen. Doch da Sie als Führungskraft mit Ihrer Kommunikation vermutlich im Wesentlichen die von Ihnen gewünschte Wirkung entfalten wollen, ist es schon einmal nützlich innezuhalten und darüber zu reflektieren.
1. Innere Klarheit schaffen
Die Kommunikationsstufen kennen Sie sicher: Zunächst kommt das eigene
innere Denken, dann das Meinen, schließlich sagen Sie etwas (Achtung:
die Kommunikationsgrenze zum Gegenüber), er oder sie hört, versteht, ist
ggf. einverstanden und erst dann folgt eine Aktion – oder keine bzw.
nicht die gewünschte. Daher ist es wichtig, im eigenen Denken klar zu
sein. Was will man wirklich, was ist besonders wichtig, worum geht es
eigentlich? Hier gilt es, wie S. Covey schon in seinen „Sieben Wegen zur
Effektivität“ postulierte: „Das Ende am Anfang im Sinn haben“. Gemeint
sind hier sowohl die Bestandteile des eigenen, steuernden „inneren
Betriebssystems“ mit seinen Werten, Überzeugungen, Antreibern etc., als
auch die eigenen, wohlüberlegten Ziele, von denen zumindest Sie selbst
überzeugt sein sollten.
Viele Bestandteile Ihrer Kommunikation – vor allem die analogen (Watzlawick unterscheidet in seinem vierten Axiom die inhaltliche, digitale Kommunikationskomponente von allen anderen, die er analog nennt) – sind unbewusst und dabei sehr wirksam, ob beabsichtigt oder nicht. Kommunikation gelingt bei Übereinstimmung zwischen analoger und digitaler Botschaft (Kongruenz) und wenn die Kommunikationspartner beide Teile der Botschaft in gleicher Weise interpretieren. Je besser Sie sich kennen, je mehr Sie ausschließen können, dass Ihre Kommunikation nicht nur reflexartigen Reaktionen oder verborgenen, eigentlich wenig nützlichen Mustern folgt, desto mehr Wirkung im „wirklich“ gewünschten Sinne werden Sie erzeugen.
2. Vor dem Senden kommt der Empfang
Wichtig ist es, nicht wie so viele Führungskräfte ständig „auf Sendung“
zu sein, sondern alle Antennen auszufahren und dabei viel mehr als nur
die Worte des anderen wahrnehmen, wirklich zuzuhören und hinzuspüren, um
was es eigentlich geht. Bleiben Sie mit Ihren Gedanken und Ihrem Fokus
bei Ihrem Gegenüber. Wenn Sie im Inneren gedanklich abschweifen und an
das nächste Meeting denken, teilt sich das dem anderen meistens mit und
wird als Desinteresse bewertet. Noch stärker reagiert Ihr Gegenüber
darauf, wenn Sie beim Gespräch auf die Uhr schauen (etwas anderes wird
jetzt wichtiger) oder gar kurz auf dem Smartphone Ihre Mails checken!
Sie haben nämlich auch die Möglichkeit, eine Menge Informationen über Ihren Gesprächspartner zu sammeln, mit denen Sie „seine Welt“ erkunden. Dies wird Ihnen helfen – wie in einer der nächsten Regeln beschrieben – eine wirklich gute Gesprächsbeziehung aufzubauen. Auch ist es unabhängig von diesem Zweck einfach interessant, andere Menschen wirklich kennenzulernen. Sie werden herausfinden, ob Ihr Gesprächspartner in guter oder in schlechter Stimmung ist, oder ob er echte Sorgen oder nur unerfüllte Bedürfnisse hat. Spiegelt er Ihre Körperhaltung oder bewegt er sich vollkommen davon abgekoppelt und zurückgezogen? Wie spricht er, welche Vokabeln verwendet er, ist der visuelle, auditive oder kinästhetische Kanal sein bevorzugter? Denkt er „von weg“ oder „hin zu“, baut er seine Argumentationen sequentiell auf oder eher sprunghaft, ist er eher jemand, der die Blätter am Baum oder eher den Wald vor sich sieht etc. (Auszüge aus den sog. Metaprogrammen: nachzulesen in Drauschke, Drauschke, Schade, Führen im Wandel, S. 92-96).
3. Zeigen Sie echtes Interesse am Anderen
Wie schon in Regel zwei beschrieben, ist aktives Zuhören eines der
wichtigsten Prinzipien guter Kommunikation. Bleiben Sie auch
körpersprachlich zugeneigt, wiederholen Sie wichtige Passagen mit Ihren
Worten und quittieren Sie Wichtiges mit dem tatsächlich so benannten
„sozialen Grunzen“ (Mmmm, Aha etc.). Halten Sie Blickkontakt und machen
Sie mit kleinen Gesten wie z.B. einem Nicken deutlich, dass Sie
verstanden haben, was Ihr Gesprächspartner Ihnen sagen will. Lassen Sie
Ihren Gesprächspartner immer ausreden und fallen Sie nicht ins Wort,
weil Sie schon zu wissen meinen, was der andere sagen möchte. Eine der
am weitesten, gerade bei erfahrenen Führungskräften und Ehepartnern,
verbreitete Unsitte ist das sogenannte „Gedankenlesen“. Man glaubt schon
zu wissen, was der andere sagen möchte und beendet gerne schon einmal
die Sätze der anderen, nachdem man ihnen ins Wort gefallen ist.
Interessieren Sie sich wirklich für Ihren Gesprächspartner, meistens
gibt es hinter dem vorgetragenen Thema ein anderes, noch wichtigeres.
Dessen Welt zu erkunden ist doch wirklich interessant, und meistens
bieten sich zahlreiche neue Möglichkeiten, bei Themen und Problemen
daraus für beide Seiten passende Lösungen zu entwickeln.
4. Gute Beziehung ist die Voraussetzung für gute Kommunikation
Watzlawick postulierte in seinem zweiten Axiom, dass jede Kommunikation
einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt hat, wobei Letzterer den
Ersteren bestimmt. Man sendet also neben dem Inhalt (was will ich sagen)
meist Hinweise, wie man seine Botschaften verstanden haben will und wie
man seine emotionale Beziehung zum Empfänger empfindet. Gehen Sie davon
aus, dass der Beziehungsaspekt bestimmt, wie der Inhalt interpretiert
wird. Hier kommt ein Aspekt aus der Transaktionsanalyse (nach E. Berne)
dazu, nämlich in welchem Ich-Zustand sich die Kommunikationspartner
befinden. Nur dann, wenn beide im „Ich bin ok und Du bist ok“ Modus
sind, ist eine gute wechselseitige Beziehung möglich, auch wenn auf der
Verhaltensebene angemessen Kritik geübt wird oder die Ergebnisse noch
nicht genügen. Wenn nur einer von beiden bei sich oder in Bezug auf den
anderen in den „nicht ok“-Modus geht, ist es vorbei mit der guten
Kommunikation, egal wie nett Ihre Worte klingen. Kommunikation gelingt,
wenn auf der Sach- und Beziehungsebene und bei beiden
Kommunikationspartnern Einigkeit über den Inhalts- und Beziehungsaspekt
herrscht. Sie misslingt, wenn ein Kommunikationspartner unterschiedliche
oder gegensätzliche Botschaften sendet, oder wenn der andere
Kommunikationspartner einen der beiden Aspekte anders interpretiert.
5. Es ist weniger entscheidend was, sondern wie Sie etwas sagen
Haben Sie schon einmal die Erfahrung gemacht, dass das Tanzen mit
manchen Partner sich harmonisch und wunderbar anfühlt, bei anderen
dagegen steif und unrund? Und manchen Menschen gelingt ein guter Tanz
mit nahezu jedem Partner. Nachdem Sie gemäß der zweiten Regel vieles
über Ihren Gesprächspartner erfahren haben, passen Sie Ihre
Kommunikation in authentischer Flexibilität an die Natur des anderen an.
Sprechen Sie bildhaft oder eher sachlich, langsam oder eher schnell,
bieten Sie viele Details oder den großen Zusammenhang. Je eher Ihre
Kommunikation die Bedürfnisse des Gesprächspartners berücksichtigt,
desto zufriedener sind beide nach einem Gespräch, und umso besser wird
sich die Beziehungsebene entwickeln. Und nur wenn diese intakt ist, wird
es Ihnen gelingen, die für Sie wichtigen Inhalte wirksam zu
transportieren. Schließlich macht der Ton die Musik, d.h. die digitalen
und analogen Komponenten (Regel 1) müssen zusammenpassen. Wollen Sie,
dass ein Mitarbeiter etwas schnell erledigt, müssen Sie die
Dringlichkeit auch über Ihre Stimme zum Ausdruck bringen. Lob und Freude
gehen mit freundlichem Tonfall und offener Körpersprache einher. Nur
wenn alles kongruent ist, dann wirkt Ihr Lob tatsächlich!
6. Führen Sie durch Fragen
Wenn Sie durch offene, wohlwollende Fragen Ihren Gesprächspartner zu den
wichtigen Themen führen und die Gelegenheit geben, sein Wissen und
seine Meinungen zu offerieren, sinkt ihr Redeanteil zu Gunsten des
anderen. Sie erfahren nicht zur, was Sie interessiert, sondern lenken
auch die Aufmerksamkeit dorthin, wo es Ihnen derzeit wichtig erscheint.
Meinen Sie, dass Sie mit einfachen und offenen Fragen am meisten
bewirken können?
Bei den geschlossenen Fragen ist nur die Antwort „Ja“ oder „Nein“
möglich und das Gespräch erstirbt schnell, außerdem erinnert das oft
folgende Fragenstakkato mehr an Ausfragen als an ein Gespräch.
Metamodellfragen (was genau, wann, wie, wodurch etc.) erkunden die Welt
des anderen in den tieferen Sprachebenen entsprechend der Anamnese des
Arztes im Patientengespräch. Was wäre möglich, wenn man durch Fragen
auch Änderungen in der Haltung des anderen bewirken könnte? Die Familie
der systemischen Fragen – die soeben gestellte ist eine hypothetische
Frage – bezieht immer den Gesprächspartner und seine Möglichkeiten oder
sein Umfeld ein. Sie werden meist für Interventionen im Gesprächsverlauf
verwendet und gehören zum unbedingten Repertoire von Führungskräften
und Coaches. (Drauschke, Drauschke, Schade, Führen im Wandel 2, S.
58-67).
7. Sei nicht nett, sei klar
Wenn man alle Regeln auf einmal betrachtet, bemerkt man schnell, dass
es nicht darum geht, einfach „nett“ zu sein, sondern klar im eigenen
Denken und kongruent im Ausdruck. Wenn man an seinem Gesprächspartner
und einem guten Miteinander auf Augenhöhe wirklich interessiert und in
der Lage ist, Sachverhalte auf der reinen Wahrnehmungsebene zu
beschreiben (was ich gesehen, gehört habe) verfügt man schon über eine
gute Grundlage. Wenn man dann noch beobachtbares Verhalten von
„halluzinierten“ Vorstellungen über das Können oder Wollen des anderen
sauber trennen kann, ist man schon auf einem guten Weg. Wenn man dann
noch einen guten Zugang hat zu seinen eigenen Bedürfnissen und Gefühlen
und seine Wünsche als Bitte sauber auf der Verhaltensebene formuliert
(was genau möchte ich, dass Du anders, mehr, weniger, nicht mehr tust),
dann haben Sie die meisten Stolpersteine gründlich entfernt und der
wirklich wirksamen Kommunikation steht nichts mehr im Wege. Klarheit im
Innen und im Außen ist dabei die wichtigste Grundlage für Ihren Erfolg
im Umgang mit anderen Menschen.
Pia Drauschke und Stefan Drauschke
Berlin, im Mai 2016