So sorgen Mitarbeiter für Innovationen (2)

Was die Kreativität fördert

In der letzten Kolumne haben wir die Bedeutung einer kreativitätsfördernden Unternehmenskultur beschrieben. Doch Kultur ist zwar notwendige Voraussetzung für Innovationsstärke, doch sie allein reicht in der Regel nicht aus.
Ganz ohne Zutun von oben werden die meisten Mitarbeiter in der Regel nicht innovativ kreativ. Zu tief sitzt die von E. Schein beschriebene „Lernangst“, zu vertraut und Sicherheit stiftend sind bekannte Abläufe und Rituale und zu verdichtet ist teilweise die bestehende Arbeit, um „nebenher“ Neues zu erfinden und dann auch noch zu implementieren. Wir wollen daher verschiedene Elemente, Formate und „Techniken“ vorstellen, wie Sie und Ihre Mitarbeiter mit Leichtigkeit kreativer werden und Neues möglich machen.

Bewegung und Ruhe sind förderlich
Sie kennen das sicher von sich selbst: Beim Spazierengehen oder beim Laufen kommen manchmal die besten Ideen. Ein gut durchblutetes und mit Sauerstoff versorgtes Gehirn ist kreativer als ein müdes nach anstrengender Arbeit im Sitzen. Nutzen Sie diese Erkenntnis für sich und Ihre Mitarbeiter, wenn es darum geht, gemeinsam auf neue Gedanken zu kommen. Manchmal helfen hier auch ganz einfache Lösungen. Frank Fischer von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität analysierte die Gruppenarbeiten von 300 Studenten. Vorher hatte er den Raum mit höhenverstellbaren Tischen ausgestattet. Siehe da: Teilnehmer, die zwischen Sitzen und Stehen wechselten, kamen häufiger zu richtigen Ergebnissen als nur im Sitzen – und hatten 24 Prozent mehr Ideen.
Doch auch Ruhe und Schlafen kann die Kreativität unterstützen. In vielen Kulturen finden Sie inzwischen Schlaf- und Ruhegelegenheiten im Büro für den sogenannten „Powernap“, den erholsamen 30-Minutenschlaf zwischendurch. Zudem erfolgt im Schlaf kombinatorisches Denken, wie Denise Cai von der Universität von Kalifornien in San Diego 2009 bestätigen konnte. Sie ließ 77 Teilnehmer verschiedene verbale Aufgaben lösen, einige Probanden konnten zuvor ein Nickerchen halten – die lösten die Aufgaben am besten. Auch Meditation und Achtsamkeitstrainings für Führungskräfte erfahren derzeit einen wahren Boom, weil bekannt wird, dass in meditativen Zuständen der Zugang zur Intuition leicht fällt. Vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb der NextHealth Business-Retreat immer stärker nachgefragt wird.

Der emotionale Zustand ist entscheidend
Sie haben sicher auch schon festgestellt, dass in einer schlechten Stimmung und voller erdrückender Problemvorstellungen der Antrieb gering und kreatives, lösungsorientiertes Denken erschwert sind. Gute Stimmung, ein hohes Energielevel und gute Gefühle sind also wichtige Voraussetzungen, um auf Neues Denken zu kommen. Der Sozialpsychologe Jens Förster von der Jacobs-Universität Bremen fand in einer Studie heraus, dass die Teilnehmer eine kniffelige Aufgabe eher lösten, wenn sie zuvor an ihren Partner gedacht hatten. Der Gedanke an Liebe unterstützt offenbar den Blick in die Zukunft und hilft dabei, Dinge miteinander in Beziehung zu setzen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben.
Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten, die Stimmung und den emotionalen Zustand bewusst aufzuhellen. Die durch Konditionierung erzeugte Verknüpfung von guten Gefühlen zu den mit Erinnerungen verbundenen inneren Bildern und Fotos oder zu Musik können Sie nutzen, um mit Hilfe solcher „Anker“ sich gezielt in die richtige Stimmung zu versetzen. Auch die Verwendung von Farben erzielt eine stimmungsbeeinflussende Wirkung (Farbenlehre nach Johann Wolfgang von Goethe). Beispielsweise kann Orange dabei helfen, die Stimmung aufzuheitern, unsere Geselligkeit zu fördern, Kreativität zu steigern, Depressionen zu mindern, den inneren Antrieb zu erhöhen und Optimismus in unser Leben zu lassen.

Intuitive Methoden
Diesen Methoden ist allen gemein, gewohnte Pfade zu verlassen, Muster zu durchbrechen und dadurch neues Denken leichter zu ermöglichen und intuitiven Zugang zu unbewusstem Wissen und Ideen zu erlangen.
Beim Brainstorming wird nach einer kurzen Einführung zum Thema jeder einzelne gebeten, Lösungsideen zu generieren, und zwar umso mehr desto besser. Meist kommen zuerst die Gedanken, die man immer schon hatte, und nach 10-12 Ideen folgen die wirklich neuen Einfälle. Es gilt die Regel, in dieser Phase nicht zu bewerten, zu sortieren oder zu kommentieren, die Gedanken sollen einfach nur fließen. In einer anschließenden Phase kann dann in Kleingruppenarbeit die vorliegende „Ernte“ weiter in Richtung Lösung bearbeitet werden.
Tony Buzan hat vor Jahrzehnten die weltweit bekannte Methode des Mindmappings entwickelt, sei es mit elektronischen Programmen oder als einfache von Hand erstellte Grafiken. Es handelt sich um ein Baumdiagramm mit der Darstellung von Zusammenhängen durch wechselseitige Verknüpfungen, die eine vernetzte Struktur erzeugen (Abb.: Mindmap Führungskultur, Quelle: das Krankenhaus, Waltraud Weissengruber/Burkhard van der Vorst/Pia Drauschke/Stefan Drauschke, Führungskultur „Universitätsmedizin 2016“ – gute Führung als ein Schlüssel für zukünftige Exzellenz, November 2013)
Invers zu denken hilft häufig, zu neuen Lösungen zu gelangen. Bei der sogenannten Kopfstandmethode wird eine Fragestellung provokant ins Gegenteil verkehrt. Beispielsweise könnte man fragen, durch welche Maßnahmen und Aktionen man eine Situation noch deutlich schlimmer machen könnte. Durch die durch die Fragestellung oft heitere Stimmung und die Absurdität der Antworten kommen häufig neue Ideen in den Raum, die dann, wenn man sie am Ende nochmals umkehrt, interessante Lösungsansätze enthalten oder sehr ungeschminkt den Spiegel vorhalten. Mit dem „Was wäre wenn Rahmen“ denkt man über die mentale Mauer eines Problems hinaus. So könnte man die Behauptung aufstellen „Was wäre, wenn ab morgen das Problem gelöst ist …“, oder „etwas bestimmtes möglich wäre …“. Wir befinden uns hier schon im Feld der systemischen Fragen, deren Eigenschaft es ebenfalls ist, mit einem Perspektivwechsel neues Denken zu ermöglichen (siehe auch Klinik Markt inside, Ausgabe 10/2015, „Systemisches Denken im Führungs- und Beratungskontext“, Seite 10-12).

Diskursive Methoden
Diese sind vorwiegend prozessorientiert und stellen eine bewusste und eher logische Lösungssuche Schritt für Schritt dar. Themen und Probleme werden zerlegt, unter verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und systematisch in die Lösung geführt.
Die Osborn Checkliste (nach Alex Osborn) dient dazu, anliegenden Sachverhalte ganz verschieden zu behandeln, indem sechs unterschiedliche Verben zur Anwendung kommen, die auf die in Rede stehenden Ideen, Produkte oder Leistungen systematisch angewendet werden sollen. Auf diese Weise sollen ganz neue Einfälle für neue Produkte und Prozesse entstehen. Die Checkliste fragt nach anders verwenden, bestehende Elemente anpassen oder abwandeln, vergrößern, verkleinern, ersetzen, umordnen, neu sortieren, umkehren, kombinieren und eliminieren. Auch der oft verwendete morphologische Kasten mit einer Matrix aus Eigenschaften und möglichen Lösungsinhalten gehört zu den diskursiven Methoden.

Kombinierte Methoden
Die Walt-Disney-Methode nach R. Dilts arbeitet ebenfalls mit einem Perspektivwechsel, indem eine Lösung oder Arbeitshypothese von den Teilnehmern nacheinander aus drei Denkmustern heraus betrachtet und analysiert wird. Disney soll in seinem Arbeitszimmer hoch über der Stadt drei Stühle gehabt haben, den Stuhl für den Realisten, für den Visionär und für den Kritiker. Immer dann, wenn er neue Ideen oder Vorhaben vor einer Entscheidung prüfen wollte, setzte er sich nacheinander auf diese Stühle und ging jeweils vollkommen assoziiert seine Pläne durch. Erst anschließend gelangte er unter Würdigung aller Erkenntnisse zu einer ausgewogenen Entscheidung – und in Summe haben seine Entscheidungen zu einem respektablen Weltunternehmen geführt.
In Gruppen hilft schon die Dynamik der anwesenden Menschen, aus der Komfortzone zu gelangen und neu zu denken. In von uns häufig durchgeführten Großgruppenformaten wie Open Space, World-Cafe, Zukunftskonferenz, RTSC etc. (Quelle: Führen im Wandel  – Die besten Kolumnen über Kommunikation, Führung und Change-Management“, Drauschke/ Drauschke/ Schade, medhochzwei Verlag, Seite 121-125) arbeiten wir mit sehr unterschiedlichen Techniken wie Kartenabfragen, Interviewtechniken zu zweit oder zu dritt, Arbeit mit wechselnden Gruppen in wechselnden Formationen oder an Marktständen.

Resümee
Der Vorteil, der alle vorgestellten Techniken und Vorgehensweisen bei Anwendung im Unternehmen verbindet, besteht darin, dass sie den unterschiedlichsten Menschen tatsächlich ermöglichen, mitwirken zu können. Doch erst dann, wenn die Mitwirkung nachvollziehbare Konsequenzen hat und eingebrachte Ideen in die Umsetzung gelangen, entfalten sie ihre vollen Möglichkeiten im Hinblick auf Innovation und cultural change. Das Ablehnen von Ideen darf niemals negative Konsequenzen oder eine Abwertung für die Ideenbringer nach sich ziehen. Alle wissen, dass nicht jede Idee realisiert werden kann, und daher erwartet auch niemand, dass alle Ideen und Vorschläge umgesetzt werden. Doch sie sind ernst zu nehmen und Entscheidungen der Führungsebene für oder gegen Lösungsvorschläge sollten nachvollziehbar begründet sein.
Nutzen Sie die kollektive Intelligenz und den Ideenreichtum der Mitarbeiter im Unternehmen kontinuierlich und realisieren Sie echte Partizipation. Auf diese Weise entfaltet ein kreatives Unternehmen mit seinen Mitarbeitern volle Entwicklungskraft und ist gleichzeitig ein attraktiver Arbeitgeber für alle diejenigen, die in ihrem Leben etwas bewegen wollen.

PS: Diese Kolumne und mehr als 20 weitere können Sie ab Dezember 2015 nachlesen im Buchband „Führen im Wandel 2 – Die besten Kolumnen über Kommunikation, Führung und Change-Management“, Drauschke/ Drauschke/ Schade, medhochzwei Verlag

Autoren:
Dipl. Vw. Pia Drauschke und Dr. med. Stefan Drauschke
(Klinik Markt inside, November 2015, Seiten 11-13) Für weiterführende Literaturhinweise stehen Ihnen die Autoren gern zur Verfügung, E-Mail: info@nexthealth.de