So sorgen Mitarbeiter für Innovationen (1)

Unternehmenskultur und Kreativität   Braucht man für Innovation und Kreativität ein ausgefeiltes Ideenmanagementsystem oder externe Berater oder eingekaufte Kreative?  

Manchmal bestimmt, doch es lohnt sich immer der Blick auf die eigenen Mitarbeiter, die das Unternehmen und den Markt oft am besten kennen und Freude daran haben können, die Dinge einmal anders als üblich zu denken und zu tun. Allerdings ist es nicht nur eine Frage der Menschen im Unternehmen, sondern auch eine der entstandenen Unternehmenskultur. Führen die (oft unbewussten) Werte und Grundhaltungen im Unternehmen eher dazu, dass die eigenen Leute, vielleicht aus Angst vor Sanktionen aller Art, beständig „mehr vom Selben“ produzieren und aus ihren eingefahrenen Gleisen ungern heraustreten? Oder ist so viel Freiraum im Denken und im Arbeitsalltag gegeben, dass die Freude am Probieren und an Neuem eher stärker und die Angst davor eher geringer ausgeprägt sind? Ähnlich wie beim Fehlermanagement (z.B. CIRS, Critical Incident Reporting-System) sind also nicht so sehr der technische Prozess an sich oder bestimmte Techniken für Fehlervermeidung beim CIRS, oder für Kreativität und Ideenfindung bei der Innovation entscheidend. Vielmehr spielt der kulturelle Kontext mit den Verhaltensweisen, Fähigkeiten, Einstellungen und Haltungen der Mitarbeiter eine wichtige Rolle, in die diese Prozesse und Techniken für Innovation oder CIRS eingebettet sind. Wir postulieren sogar, dass eine passende Kultur die wesentliche Voraussetzung dafür darstellt, dass Konzepte wie Fehlermanagement oder Ideenmanagement mit den Menschen im Unternehmen überhaupt „funktionieren“ können.

Worum geht es überhaupt bei „Innovation“: Neue Wege, Lösungen und Gedanken finden zu den Themen Kosten senken und Erlöse steigern, neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln, verändern der Organisation und Arbeitsbedingungen, erhöhen der Arbeitgeberattraktivität, Fehlerquoten senken etc.. An sich ist jede Form von Weiterentwicklung auf Innovation angewiesen, die immer durch Menschen erfolgt und am besten fest in der Unternehmenskultur verankert ist. Natürlich gibt es immer Menschen, die von ihrem Wesen her eher mit neuen Ideen sprudelnd ins Team kommen als andere, die von Natur aus ruhiger zu sein scheinen. Doch es wäre zu kurz gedacht anzunehmen, der eine oder die andere „sei“ eben so. Verhalten von Menschen ist vielfältiger und vielschichtiger als Sie glauben und vor allem häufig kontextabhängig. Jemand, der im Unternehmen sehr zurückhaltend auftritt, kann in bestimmten privaten Situationen möglicherweise sehr leidenschaftlich und extrovertiert aus sich herausgehen. Wenn Sie jemals bei einer systemischen Strukturaufstellung miterlebt haben, wie ein Stellvertreter für jemanden oder für etwas in einer Szene vollkommen authentisch von Gefühlen, Gedanken und Ambitionen berichtet, die so ganz anders sind als er es von sich selbst in anderen Kontexten gewohnt ist, wissen Sie was wir meinen. Offenbar sind wir Menschen nicht nur „wie wir eben sind“, sondern eher wie wir uns auf Grund vielfacher Wechselwirkungen mit anderen in verschiedenen Kontexten fühlen und geben.

Wenn Innovationsstärke eine Wurzel in der Unternehmenskultur und insbesondere in der Führungskultur hat, dann ist die Beobachtung leicht verständlich, dass in einem großen Unternehmen mit verschiedenen Standorten, Abteilungen und Berufsgruppen Innovation und Kreativität sehr unterschiedlich intensiv und mit unterschiedlicher Priorität „gelebt“ werden. Mehr Einfallsreichtum und Veränderungsfreude im gesamten Unternehmen verankern zu wollen bedeutet demnach, einen systematischen „cultural-change“- Prozess initiieren zu müssen. Doch wie kann man solch ein Unterfangen angehen? Ein (systemisch-konstruktivistischer) Projektansatz besteht zunächst darin, den unbestimmten Begriff „Innovation“ im Sinne der Führungskräfte und Mitarbeiter des Unternehmens möglichst passend zu einer vorhandenen Unternehmensstrategie zu klären. „Innovation“ ist zunächst nur ein Wort, und es geht darum, aus den individuellen Denkkonstrukten der Mitarbeiter und Führungskräfte (der kommunizierenden Systemelemente) ein gemeinsames Begriffsverständnis mit einer ähnlichen Wortfeldbedeutung zu erzeugen. Damit meinen wir, dass im sozialen System Ihres Unternehmens „Innovation“ als nützliche Kraft gemeinsam verstanden, getragen und akzeptiert ist und damit auch praktisch um- und eingesetzt werden kann.

Wenn Sie mehr Innovation im Unternehmen möchten – und wir gehen davon aus, dass Sie ganz für sich persönlich als Führungskraft „in Ihrer Welt“ ganz genau wissen, was Sie darunter verstehen, dann fragen Sie doch einmal verschiedene Menschen im Unternehmen nach deren individuellem Verständnis von Innovation. Sie werden erstaunt sein, wie Sie auf diese Weise ganz unterschiedliche Definitionen und Bedeutungen zusammentragen können und wie sehr die Notwendigkeit und die mit Innovation verbundenen Risiken ganz unterschiedlich wahrgenommen werden. Die kulturell-kommunikative Basis für ein unternehmensweit gleich verstandenes Innovationskonzept ist demnach zuerst zu schaffen, bevor es um Techniken, Prozesse und Systeme geht.

Wir empfehlen daher als Einstieg in einen solchen cultural-change-Prozess die gründliche Klärung verschiedener Fragen vorzugsweise unter Einbindung aller Führungskräfte und weiterer Leistungsträger – gerne auch in Form der bewährten Großgruppenarbeit: Was genau verstehen wir bei uns im Unternehmen unter Innovationsstärke im für uns nützlichen Sinne, welche Risiken und Nebenwirkungen sind mit Innovation verbunden, wofür soll sie bei uns nutzen und wie wollen wir sie einheitlich im gesamten Unternehmen um- und einsetzen. Welche Regeln sollen gelten, welches Verhalten meint „innovativ sein“ überhaupt konkret, welche Prozesse sind zu etablieren und welche Voraussetzungen zu schaffen.

Auf diese Weise erhalten Sie eine Kulturanalyse und Begriffsklärung in Bezug auf verschiedene Aspekte von Innovation im „Ist“ und eine Vorstellung der Beteiligten, wohin sich die Kultur im Hinblick auf Innovation zu entwickeln hat im „Soll“. Gleichzeitig entsteht eine Vielzahl konkreter, nützlicher Umsetzungsideen. Die Ergebnisse aus der Arbeit in den großen Gruppen werden anschließend in einer Arbeitsgruppe zusammengetragen und geschärft, Teilergebnisse von der Leitung angenommen oder auch aussortiert und dann in einem gereiften Zustand nochmals von der Großgruppe weiterbearbeitet, so lange bis ein gutes und von den meisten getragenes Ergebnis vorliegt.

Diese partizipative top-down-bottom-up angelegte Vorgehensweise eines Kulturentwicklungsprozesse mit einer Reihe von Feedbackschleifen, die wir seit langem mit gutem Erfolg mit unserem Vierschichtenmodell der Veränderung® und den K1-K4 – Arbeitsgruppen (Quelle: Drauschke, P., Drauschke, Dr. S., Schade, N.: „Führen im Wandel – die besten Kolumnen über Kommunikation, Führung und Change-Management“, medhochzwei-Verlag, 2013 ) auch auf Themen wie Strategie oder Führungskultur anwenden, ist gleichzeitig auch eine Intervention. Sie führt erfahrungsgemäß schon während des Entwicklungsprozesses zu Veränderungen bei den Beteiligten, weil das Neue sich auf diese Weise in den und innerhalb des Denkrahmens der Menschen bewegt, daher vorstellbar wird und individuelle Entscheidungen ermöglicht. Menschen entscheiden sich für etwas – auch für neue Verhaltensweisen – meist nur dann, wenn sie sich das Neue vorstellen können. Neues im Unternehmen zu etablieren folgt einer hierarchischen Kaskade, die mit den logischen Ebenen des Lernens (nach Dilts und Bateson) beschreibbar ist. Es braucht als Voraussetzung ein tiefes Verständnis und Einverständnis auf der Ebene der eigenen Haltung und Rolle (Identität), es muss mit den individuellen und im Unternehmen verankerten Werten und Überzeugungen vereinbar sein (belief-system), das notwendige Können muss vorhanden sein, um letztendlich ein bestimmtes Verhalten auszuprägen, mit dem schließlich die Umwelt verändert werden kann. Umwelt meint hier das Unternehmen mit seinen Abläufen, Produkten und letztlich seinen Ergebnissen. Gleichzeitig entwickeln Sie mit dieser Vorgehensweise auch eine innovative Führungskultur, die nach D. Frey von der Ludwig-Maximilians-Universität München insbesondere von den Elementen Partizipation, Feedback, Fairness, Vorbild, konstruktive Rückmeldung, Zielen und Sinnstiftung geprägt ist. Die Menschen im Unternehmen erhalten bei klaren Zielen die ehrliche Einladung zur Mitwirkung, die wiederum ihre Selbstwirksamkeitserwartung steigert. Dies führt in der Regel dazu, sich gerne und mehr einzubringen als bisher – auch mit Ideen – und erhöht die Bindung zum eigenen Unternehmen als attraktiver und auch persönlich sinnstiftender Arbeitgeber.

Selbstverständlich gehören zum Innovationsmanagement auch eindeutig zu beschreibende Prozesse, wie mit neuen Ideen umgegangen wird in der Abteilung, im Standort oder unternehmensweit sowie das Etablieren eines wirksamen Projektmanagements. Dieses klärt, unter welchen Voraussetzungen aus einer akzeptierten Idee ein Projekt wird oder eher eine Umsetzung in der Linie erfolgt und wie dann die Projektarbeit an sich von statten geht. Man kann sehr unterschiedlicher Meinung sein, ob es für die Sammlung und die Auswertung von Ideen ein sogenanntes formales „Ideenmanagement“ als eigenständiges Konzept braucht. Wir glauben, dass das Kreieren von Ideen, das sich Einbringen in Verbesserungs- und Veränderungsprozesse und die Entscheidung über die Annahme oder Nichtannahme eher ein Teil der ebenfalls zu definierenden Führungs- und Kommunikationskultur im Unternehmen sein sollte. Damit schließt sich der Kreis unserer Ausführungen. Wenn Sie in der beschriebenen Weise eine gute Innovationskultur und die notwendigen Prozesse eingeführt haben werden Sie erstaunt sein, welche Entwicklungen durch die Freude an Veränderung in Verbindung mit der eingebrachten individuellen und kollektiven Intelligenz der Führungskräfte und Mitarbeiter möglich sind.

In der folgenden Kolumne werden wir uns mit verschiedenen Techniken und Formaten befassen, die der Kreativitätsförderung auch in Unternehmen dienen.

Autoren:
Dipl. Vw. Pia Drauschke und Dr. med. Stefan Drauschke
(Klinik Markt inside, September 2015, Seiten 11-13) Für weiterführende Literaturhinweise stehen Ihnen die Autoren gern zur Verfügung, E-Mail: info@nexthealth.de