10 wichtige Fähigkeiten in der neuen Arbeitswelt
Die Covid 19 Pandemie ist eine handfeste Krise und zugleich eine aktuelle weltweite Manifestation der oft beschriebenen „VUKA- Welt“ (volatil, unsicher, komplex, ambigue). Das schlägt sich auch nieder in einer sich rasend schnell ändernden Arbeitswelt mit der rasanten, umfassenden Digitalisierung, zunehmender Vernetzung in sozialen Medien und der fortschreitenden Entkopplung von Arbeit und Arbeitsplatz beispielsweise durch Homeoffice. Der Umgang miteinander ändert sich spürbar, ebenso wie disruptive Geschäftsmodelle unerwartet Einzug halten und ganze Branchen plötzlich verändern. In diesem Umfeld ändern sich erwartungsgemäß auch die Fähigkeiten, die nach Ansicht von Experten nötig sind, um auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft bestehen zu können.
Diesem Thema widmete sich eine aktuelle Studie von T. Belachew und R. Surkin von der Non-Profit-Organisation IREX aus dem Jahr 2020 über die aktuell wichtigsten Eigenschaften für Beschäftigte, die das Weltwirtschaftsforum WEF – World Economic Forum veröffentlichte (Quelle https://www.weforum.org/agenda/2020/10/youth-employment-skills-gap-covid-19/). Danach ist die Pandemie für den Verlust von mehr als 195 Millionen Arbeitsplätzen verantwortlich und unterbricht oder stört Ausbildungen aller Art, insbesondere von unterprivilegierten Gruppen.
Gemäß einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ist die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden um 8.8 % zurückgegangen, was rechnerisch 255 Millionen Arbeitsplätzen entspricht. Dabei sind „nur“ 33 Millionen Menschen formal arbeitslos geworden, wobei sich nach Schätzungen der ILO weitere 81 Millionen Menschen vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben (Quelle: Corona: Schwerste Arbeitsmarktkrise seit der großen Depression (handelsblatt.com)).
Es liegt auf der Hand, dass der auch durch die Pandemie stark beschleunigte technologische Wandel und die zunehmende Automation für die Beschäftigten direkte Auswirkungen haben auf die benötigten technischen Fähigkeiten und auch auf notwendige Soft-Skills wie Kommunikation, kreatives Problemlösen und unternehmerisches Denken. Um den Entwicklungsbedarf genauer greifen zu können, wurden 313 Manager und Personalverantwortliche von global agierenden Unternehmen mit insgesamt über 15 Millionen Arbeitnehmern aus 12 verschiedenen Industrien in über 21 Ländern befragt, die insgesamt ca. 70% des globalen Bruttoinlandprodukts repräsentieren.
Im Ergebnis besteht die Einschätzung, dass 54% aller Beschäftigten bis 2022 eine Umschulung oder breit angelegte Personalentwicklungsprogramme benötigen, um den neuen Arbeitsmarktbedingungen noch zu entsprechen und den veränderten Ansprüchen der neuen Jobs gerecht zu werden. Die Quintessenz der Studie ist, dass nicht einzelne Skills zu vertiefen so wesentlich ist. Vielmehr erfordert das sich schnell ändernde Arbeitsumfeld, grundlegend die Einstellung und das Denken über das Lernen zu verändern: Junge Menschen müssen lernen zu lernen und die Fähigkeit ausbauen, rasch neue Kompetenzen und Kenntnisse zu entwickeln und vorhandene anzupassen, um neu bietende Arbeitsgelegenheiten wahrnehmen zu können. Dazu gesellt sich die Fähigkeit, relevante Informationen im täglichen Informationsfluss von falschen und fehlleitenden zu unterscheiden.
Lernen zu Lernen bedeutet, sich bewusst zu werden, wie man lernt und vor allem, wie man besser und wirksamer lernen kann im Sinne optimierter Lernprozesse. Es gilt dabei, seine Metakognition auszuprägen in der Weise, sich mit den eigenen kognitiven Prozessen zu befassen einschließlich der Gedanken, Meinungen, Einstellungen, Werte, Überzeugungen etc. und so das eigene Lernen zu verbessern.
Die 10 wichtigsten Kompetenzen im Jahresvergleich
Im Rahmen des „Future of Jobs“ Reports wurden die 10 wichtigsten Kompetenzen erhoben, die gemäß der Erhebung im beruflichen Umfeld 2020 wesentlich sind im Jahresvergleich zu 2015.
Abb.: Wie notwendige Skills sich verändert haben (Quelle: Future of Jobs Report 2018, World Economic Forum)
1. Bewältigung komplexer Probleme
Um komplexe Probleme erfolgreich zu lösen ist es wichtig, das Lernen zu lernen und mit Komplexität an sich besser umgehen zu können. Vernetzt zu denken, Themen „abzuschichten“ und die Toleranz für Doppeldeutigkeiten (Ambiguitäten) zu entwickeln, sind zentrale Eigenschaften ebenso wie Lösungsorientierung an Stelle von Problemfokussierung. Dies alles bildet die Grundlage dafür, mit den Herausforderungen einer sich ständig verändernden Arbeitswelt Schritt zu halten. Die Bewältigung komplexer Probleme hat bereits in der Rangliste 2015 an der Spitze gelegen.
2. Kritisches Denken
In der heutigen Informationsflut und der Vielfalt der individuellen Informationskanäle wird es immer schwieriger, Fakten von bloßer Meinung oder gezielter Desinformation zu trennen. Die letzten vier Jahre der amerikanischen Präsidentschaft waren mit über 33.000 dokumentierten Unwahrheiten (Quelle: …) ein lehrreiches Beispiel dafür, der Begriff „Fake News“ machte Schule und Wahrheit und Lüge waren oft kaum voneinander zu unterscheiden. Gute Fachkräfte und Führungskräfte sind darauf angewiesen, ihre eigenen Impulse wahrzunehmen und nicht jedem davon „blind“ zu folgen, um falsche Entscheidungen aus dem Affekt zu verhindern. „Kritisches Denken“ lag in der Rangliste 2015 noch auf Platz vier.
3. Kreativität
Diese schöpferische Kraft ist wichtig, um Neues zu denken und damit auf neue Lösungen zu kommen, anstatt im „mehr vom selben“ zu verharren. Dafür ist auch eine gewisse Beweglichkeit im Denken gefragt, der man mit sog. Kreativitätstechniken „auf die Sprünge“ helfen kann (Quelle: Drauschke, Pia, Drauschke, Stefan, Schade, Nina. Führen im Wandel (2) – Die neuesten Kolumnen über Kommunikation, Führung und Change-Management. S. 103-107: So sorgen Mitarbeiter für Innovationen – Unternehmenskultur und Kreativität. medhochzwei Verlag, 2016). 2015 war die Kreativität noch auf Platz zehn.
4. Führungsqualitäten
Menschen zu führen ist sowohl als formale Führung in Organisationen in vertikalen Strukturen wichtig als auch bei der lateralen Führung von Menschen ohne jede geliehene Macht. Führung war 2015 auf Platz drei und damit ähnlich wichtig wie heute.
5. Abstimmung mit Anderen
Sich zu koordinieren und abgestimmt zu handeln ist vor allem in Teams wichtig, die gemeinsam an einer Sache arbeiten. Noch in 2015 war diese Kompetenz auf Platz zwei und ist 2020 auf Platz fünf noch immer wichtig für den gemeinsamen Erfolg.
6. Emotionale Intelligenz
Soft Skills wie Emotionale Intelligenz sind bei aller rational erscheinenden Digitalisierung wichtig. Es geht darum, sich in andere Menschen einzufühlen und eigene Gefühle sowie die von anderen korrekt wahrzunehmen, zu verstehen und auch beeinflussen zu können. Noch in 2015 war diese Kompetenz nicht in den Top zehn vertreten.
7. Urteilsvermögen und Entscheidungsfähigkeit
Es war auch 2015 schon auf dem achten Rang wichtig, zu beurteilen und zu entscheiden, weil die Verdichtung von Arbeit, die Fülle von Informationen und die hohe Änderungsgeschwindigkeit schnelle und fundierte Entscheidungen erfordern.
8. Service-Orientierung
Führen heißt auch folgen zu können, und gute Dienstleistung erfordert, Kundenwünsche wahrzunehmen, sich daran zu orientieren und auch erfüllen zu wollen. Dabei können „Kunden“ sowohl externe Auftraggeber sein als auch interne. 2015 war diese Kompetenz mit Platz sieben ähnlich gerankt.
9. Verhandlungsgeschick
Im Gespräch mit Verhandlungspartnern zu guten Ergebnissen zu gelangen ist nach wie vor wichtig, doch ist diese Kompetenz von Platz fünf (2015) auf Platz neun gefallen.
10. Geistige Flexibilität
Flexibilität im Denken war 2015 noch nicht unter den Top zehn und findet sich nun in der Hit-Liste. Flexibilität ist die „Zutat“ für viele andere genannte Kompetenzen wie Bewältigung komplexer Probleme und Kreativität.
Aus der Liste der TOP 10 sind Qualitätskontrolle und Zuhören in der neuesten Erhebung herausgefallen, wobei Elemente davon sicher noch indirekt enthalten sind bei den Kompetenzen Führung, Verhandlung und Serviceorientierung.
Es ist eine der obersten Führungs- und Managementaufgaben, vorausschauend passende Aus- und Fortbildungsprogramme aufzusetzen und seine Beschäftigten dafür zu begeistern, damit sich das Unternehmen mit seiner Belegschaft im schnellen Wandel dieser Zeit auch zukünftig noch gut entwickeln und behaupten kann. Die durch das Krankenhauszukunftsgesetz beschleunigte Digitalisierungsoffensive in deutschen Krankenhäusern ist kein IT-Thema, sondern zielt auf eine bessere Gesundheitsversorgung basierend auf Prozessoptimierung verbunden mit einem kulturellen Wandel. Nur wenn die Beschäftigten in den Krankenhäusern ihre Arbeitsabläufe, ihre Gewohnheiten und ihre Kompetenzen verändern und dem Neuen anpassen, wird die Digitalisierung tatsächlich funktionieren.
Pia Drauschke und Stefan Drauschke im Februar 2021