Die digitale Transformation in deutschen Krankenhäusern – Strategie, Prozess, IT und Cultural Change (Changebrief 91)

Die digitale Transformation in deutschen Krankenhäusern – Strategie, Prozess, IT und Cultural Change

Wir glauben, es hat sich inzwischen schon herumgesprochen. Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) schaufelt nicht nur ca. 4,3 Milliarden Euro für die Digitalisierung in den deutschen Krankenhausmarkt – immerhin ca. 4-5 mal mehr als sonst pro Jahr üblich. Vielmehr ist es der Motor für eine umfassende digitale Transformation, die alle Bereiche in den Krankenhäusern betrifft. Es geht um Strategie, neue Health-Business-Modelle, Prozessrestrukturierung, moderne IT, Cyber-Security und einen ausgemachten Cultural Change. Die Umsetzungsfristen sind dabei gesetzlich so eng gesetzt, dass von einem echten Digitalisierungsschub in den nächsten 2 Jahren auszugehen ist. Wir rechnen daher schon jetzt mit einer spürbaren Überforderung der knappen IT-Personalressourcen bei den Krankenhäusern, den IT-Dienstleistern und den begleitenden Beratern insbesondere bei der Umsetzung. Daher empfehlen wir, mit der gebotenen Gründlichkeit und auch mit einer gewissen Dringlichkeit das Thema der Antragstellung für die verschiedenen Fördertatbestände und auch die Umsetzung frühzeitig und vor allem strategisch anzugehen.  

Das Antragsverfahren ist vorrangig Sache des TOP-Managements – und nicht der IT!

Bei unseren Gesprächen mit Verantwortlichen in Krankenhäusern war oft wahrzunehmen, dass man schon mal damit begonnen hat, die verschiedenen IT-Projekte zusammenzutragen und so gut es geht den 11 Fördertatbeständen zuzuordnen. Daraus sollten dann Anträge formuliert werden. Dabei ist es wesentlich, zu berücksichtigen, dass das KHZG echte Digitalisierung der Patientenversorgung fördert mit dem Fokus auf die klinischen Prozesse. Ziel ist nicht die Digitalisierung an sich, sondern bessere Medizin! Wenn man die Abläufe und den Digitalisierungsgrad in den meisten deutschen Krankenhäusern kennt, dann wird schnell klar, dass es sich hier um einen herausfordernden technischen, prozessualen und kulturellen Transformationsprozess handelt, dessen Adressat nicht in erster Linie die IT-Abteilung ist, sondern das TOP-Management im kaufmännischen und medizinischen Bereich, natürlich mit der wichtigen Unterstützung und intensiven Einbindung des IT-Bereiches. Digitalisierung ist nur zu einem geringeren Teil Technik mit Hard- und Software und modernen IT-Strukturen; es geht vielmehr um Organisation, veränderte Prozesse und Strukturen, vernetztes Denken und modernes Management!

Kasten 1: Inhalte KHZG und Vorteile für Krankenhäuser


Und der Gesetzgeber meint es dieses Mal ernst: Wer die Fördertatbestände 2-6 (Patientenportal, Digitale Pflegedokumentation, Entscheidungsunterstützung, Medikationsmanagement und elektronische Leistungsanforderung) ab dem Jahr 2025 unzureichend umgesetzt hat und nicht tatsächlich in der Praxis anwendet, muss mit bis zu 2 % Budgetabschlägen rechnen, je teil- oder vollstationärem Fall! Das kann und wird sich kein Krankenhaus leisten wollen.

Von der Unternehmensstrategie zur Digitalstrategie zur IT-Strategie

Damit dieser anspruchsvolle Transformationsprozess funktionieren kann, braucht es als Grundlage eine von der Unternehmensstrategie – die bisher häufig von uns in Krankenhäusern nicht ausgeprägt anzutreffen war – abgeleitete Digitalstrategie, die wiederum Grundlage ist für die IT-Strategie.

Die Unternehmensstrategie stellt das Zukunftsprogramm des Gesamtunternehmens dar mit den Elementen Vision, Mission, TOP-Zielen in mehreren Dimensionen, dazugehörigen Kennzahlen und einem Umsetzungsplan mit Projekten, Meilensteinen und einer Roadmap. Die Digitalisierung ist ein strategisches Element. Es stellt und beantwortet die Frage, welche Unternehmensteile und Wertschöpfungsanteile können oder sollen von der realen Welt in eine Welt, bestehend aus Einsen und Nullen, überführt werden. Dabei ist es genauso von Bedeutung, welche das nicht betrifft. Heute sind die Digitalisierungsthemen auch im Krankenhaus zum überlebenswichtigen Momentum geworden.

Die Erarbeitung der Digitalstrategie ist keine triviale Aufgabe, sie überprüft und ergänzt die Unternehmensstrategie in Themen wie Rationalisierung und Automation, digitalen Leistungsangeboten und Vertriebsformen, Kundenbindung durch digitale Technologien, automatisierte Messung, Fehlervermeidung und Patientensicherheit bis hin zum digitalen Marketing.

Die IT-Strategie übersetzt schließlich die digitalen Vorgaben in die technischen Anforderungen an Hard- und Software sowie Netzwerkarchitektur, W-Lan, IT-Sicherheit etc. 

Das KHZG stellt mit seinen 11 Fördertatbeständen und den Muss- und Kann-Kriterien sowie maßgeblichen Anforderungen an Interoperabilität und Cyber-Security sozusagen den strategischen Rahmen für die Digitalstrategie als Grundlage für die digitale Transformation.

Transformations- und Changemanagement sowie Cultural Change 

Die Umsetzung der verschiedenen und ineinander verzahnten Projekte im Rahmen der 11 Fördertatbestände erfordern sowohl eine übergreifende Projektsteuerung im Multiprojektmanagement als auch ein agiles Projektmanagement mit Sprints und aus der Softwareentwicklung bekannten Verfahren wir Scrum oder OKR (Quelle: „Über das OKR Modell – Objectives and Key Results“. KmI-Kolumne. Drauschke, Pia und Drauschke, Stefan. April 2020.).

Die sich einstellenden Veränderungen bei der Umsetzung des KHZG ausgehend von den Prozessen in den Krankenhäusern sind so gravierend, dass eine maßgebliche Entsäulung der Berufsgruppen und eine Verhaltensänderung entlang der an den Prozessen Beteiligten unbedingt erforderlich sein wird verbunden mit einem massiven Umdenken und Umlernen von bis heute und lange schon praktizierten Verhaltensweisen. Es handelt sich also um einen ausgeprägten Changeprozess, der nicht „von allein“ von statten gehen wird und auch einiges Konfliktpotential in sich trägt.

Daher ist ergänzend zum klassischen „harten“ Projektmanagement ein „weiches“ Projektmanagement zu etablieren, das für ein gutes Miteinander im Umsetzungsprozess sorgt sowie für Transparenz im Projektgeschehen. Konflikte sind lösungsorientiert zu bewältigen und Differenzen im wohin und wie sind frühzeitig zu erkennen und mit Einzelgesprächen oder Methoden der Mediation zu klären.
Auch der Changeprozess als solcher und der Cultural-Change werden im „weichen“ Projektmanagementteam gesteuert mit Kommunikation, Interventionen und anlassbezogenen Workshops in verschiedenen Unternehmensbereichen.

Ein „Duales System“ für beschleunigte Changeprozesse ist mit dem Vierschichtenmodell der Veränderung K1-K4 zu etablieren für die analogen Elemente der Partizipation, und zwar ergänzend und sozusagen „neben“ dem bestehenden Organigramm für die formalen Entscheidungen (Quelle: Drauschke/Drauschke/Schade. „Mit parallelen, vernetzten Strukturen schneller im Change!“. Führen im Wandel. S. 105-108. Medhochzwei Verlag, 2013).

Eine wirksame, proaktive strategische Unternehmenskommunikation ist einzurichten und interne sowie externe Zielgruppen sind zu definieren und gezielt anzusprechen. Von hier aus wird sowohl das Projektmarketing der digitalen Transformation betrieben für die positive Wahrnehmung des Digitalisierungsprozesses als auch für das zielgerichtete Verbreiten der strategischen Kernbotschaften der Digitalstrategie. Weiterhin werden digitale Elemente der Partizipation und der dialogischen Kommunikation eingeführt als Treiber und Unterstützer des Change-Prozesses im gesamten Unternehmen und darüber hinaus.

Schließlich wird die digitale Transformation bei den Mitarbeitenden eine Reihe von Kompetenzen einfordern, die bisher noch nicht oder noch nicht ausreichend in den verschiedenen Berufsgruppen in den Krankenhäusern ausgeprägt sind. Es geht neben der Vermittlung von Digitalkompetenzen und Trainings für den Umgang mit Soft- und Hardware hierbei auch um Softskills wie Kommunikation, Führung, Change- und Konfliktmanagement. Hierfür ist eine breit angelegte Qualifizierungsoffensive zu planen und umzusetzen. Voraussetzung für deren Erfolg ist, dass die Führungskräfte und Leistungsträger selbst erkennen, dass das Verstärken dieser Kompetenzen ihre Performance und die Freude an der Arbeit nachhaltig verbessern wird.

Es handelt sich also um einen wirklich umfassenden Transformationsprozess, der das ganze Krankenhausunternehmen betrifft und zugleich eine riesige Chance im Wettbewerb um Patienten, Mitarbeitende und eine herausragende Position im regionalen Gesundheitsmarkt darstellt. Nutzen Sie diese Gelegenheit, die das KHZG Ihnen bietet und führen Sie Ihr Haus gut begleitet und erfolgreich in die digitale Zukunft! 

Pia Drauschke und Stefan Drauschke

Im März 2021