Führungskräfte müssen auch heute keine Digitalhelden sein! (Changebrief 89)

Führungskräfte müssen auch heute keine Digitalhelden sein!

Führungskräfte müssen auch heute keine Digitalhelden sein!

Die Digitalisierung schreitet mit unglaublich schnellen Schritten voran und wird noch durch die Corona-Situation weiter beschleunigt. Dies gilt sowohl für die Entwicklung der Medizin als solche, die zunehmend kontaktfreier, ambulanter und vernetzt erfolgt als auch für Führungskräfte aller Berufsgruppen, die mehr und mehr mit digitalen Werkzeugen arbeiten. Wie normal sind heute Videokonferenzen geworden oder digitale Kongresse oder Kollaborationstools wie Teams, Slack oder Trello.

Führungsarbeit setzt also bestimmtes digitales Wissen und digitale Kompetenzen voraus, zumindest um mit den eingesetzten Tools so umgehen zu können, dass sie adäquat im Team- und Führungsalltag eingesetzt werden können. Digitalisierung ist jedoch heute auch ein integrales Element der Unternehmens- und Organisationsentwicklung, um das Krankenhaus markt- und wettbewerbsfähig zu machen. Dies ist keine Aufgabe der IT-Abteilung, sondern eine des TOP-Managements, das für die Unternehmensstrategie verantwortlich ist, von der dann die Digitalisierungs- und davon die IT-Strategie abgeleitet wird (Quelle: Pia Drauschke, Drauschke Stefan, Pieper Ulrich, KU 8/2020 S 33-35).

Die Kompetenzanforderungen an Führungskräfte sind in den letzten Jahren immer vielschichtiger geworden, wie die Meta Studie 2019 des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ) bestätigt.  Dabei belegt die Studie auch, dass der Führungsprozess an sich weiterhin stark analog geprägt ist und demnach auch traditionelle, analoge Kompetenzen für den Erfolg wichtig bleiben. Das Fazit der Forscher lautet „im Zentrum von Führung stehe weiterhin die Beziehung von Mensch zu Mensch“. Ziel der Metastudie war es, herauszufinden, welche Kompetenzen Führungskräfte im Digitalzeitalter brauchen, welche neuen Kompetenzen von ihnen erwartet werden und welche Kompetenzen am relevantesten für den Führungserfolg sind. Hierfür wertete das IFIDZ 61 Studien und Umfragen rund um Führung und Leadership aus, die zwischen 2012 und 2018 publiziert wurden. Insgesamt hatten daran über 100.000 Führungskräfte, Mitarbeiter und Wissenschaftler teilgenommen (Quelle: https://ifidz.de/fuehrungskompetenz-kompetenzen-fuehrungskraefte-studie-fuehrungskompetenzen)

Kommunikationsfähigkeit ist die Top-Kompetenz 

Ausgehend von der Anzahl und Häufigkeit der Nennung bestimmter Fähigkeiten in den berücksichtigten Untersuchungen haben die Forscher eine Liste mit insgesamt 86 Kompetenzen erstellt, die demnach relevant für den Führungserfolg sind. Am häufigsten wurden dabei Kommunikationsfähigkeit (57 Prozent), Veränderungsfähigkeit (39 Prozent) und Wertschätzung/Mitarbeiterorientierung (33 Prozent genannt.

Abb. 1: Die wichtigsten Führungskompetenzen

 

Dass digitale Fähigkeiten anderen Kompetenzen bis heute nicht den Rang ablaufen, untermauern die Forscher durch einen weiteren Befund. So ergab die Kategorisierung aller 86 relevanten Kompetenzen, dass 72 Prozent als analoge, 15 Prozent als analogitale und nur 13 Prozent als digitale Kompetenzen einzustufen sind. Wenngleich die Metastudie daraus schließt, dass Führungsprozesse noch immer stark analog geprägt sind, warnt sie doch davor, die Bedeutung der digitalen und analogitalen Fähigkeiten zu unterschätzen. (Quelle: https://ifidz.de/fuehrungskompetenz-kompetenzen-fuehrungskraefte-studie-fuehrungskompetenzen/

Corona ist VUKA-live
Die aktuelle Corona Situation ist ein klassisches Beispiel eines plötzlich aufgetretenen krisenhaften Ereignisses, mit dem niemand in dieser Weise gerechnet hat und das Führung auf Sicht unabdingbar macht und insofern gut zum VUKA Begriff passt. Der schon ältere ursprünglich aus dem US- Militärbereich stammende  Begriff der „VUKA-Welt“ ist daher heute in aller Munde und steht als Abkürzung für Volatilität (englisch: Volatility), Unsicherheit (englisch: Uncertainity), Komplexität (englisch: Complexity) und Ambiguität/Ambivalenz (englisch Ambiguity) (Quelle: Pia Drauschke, Drauschke Stefan, „Agile Führung in der VUKA-Welt“, in: Klinik Markt Inside 22/2017, S. 8-10).

Führen hin zu einem vorstellbaren zukünftigen Zustand wird immer schwieriger, wenn das Umfeld sich immer schneller verändert und kaum berechenbar ist, so wie man es im Jahr 2020 beispielhaft verfolgen konnte und auch weiterhin verfolgen kann. Erste Workshops mit Krankenhausführungsteams zum Thema „Lessons Learned“ bezogen auf die Erfahrungen und Ergebnisse der ersten Corona- Welle haben gezeigt, dass Kommunikation und schnelle Entscheidungen im vernetzten System zu treffen und umzusetzen wesentlich für einen Erfolg zur Bewältigung der Pandemie-Herausforderungen waren. Zugleich spielen Präsenz und professionelle Führung in der Linie der Kliniken und Abteilungen eine wichtige Rolle, um wechselseitige Engpässe aufzufangen und bei unterschiedlichen Belastungen Ungerechtigkeitserfahrungen unter den Beschäftigten vorzubeugen.

Führung in der digitalen Transformation
Diese folgenden wichtigen Aspekte halten wir heute für die Führung von Menschen in der digitalen Transformation für bedeutsam (Quelle: Pia Drauschke, Stefan Drauschke, in: Das Krankenhaus 110 (2018) 04, S 312-314)

  • Angemessene Unterstützung der Menschen im Digital-Change
  • Persönliche, wirksame und offene Kommunikation
  • Zusammenarbeit in vernetzten Teams mit einer ausgeprägten Feedback-Kultur
  • Das Annehmen und Üben von Ambidextrie, das „sowohl als auch“ als Antwort auf die ambiguen Herausforderungen
  • Fördern von Agilität mit den Aspekten Geschwindigkeit, Anpassungsfähigkeit, Kundenzentriertheit und (agile) Haltung/Mindset und insbesondere
  • Vermittlung von Sinn, Werten, klaren Zielen

Wenn eine Kultur der Offenheit und neugierigen Entwicklung wichtig ist, dann braucht es Unterstützung und eine angemessene Fehlerkultur, denn Angstkultur wird gefördert durch alleine lassen und „Nullfehlertoleranz“. In allen unseren Changeprojekten, die wir im Kontext von Digitalisierung derzeit begleiten, ist der Wunsch der Mitarbeiter nach Support und Lernbegleitung allgegenwärtig, während natürlich die Lernbereitschaft Voraussetzung ist. In digitalen Transformationsprozessen können „digitale Coaches“ aus den eigenen Reihen als ermutigende Vorbilder dienen und ihr Wissen mit den Kollegen teilen. Darüber hinaus braucht es natürlich Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowohl bei der Vermittlung digitaler Kompetenzen als auch für agile Führung in der VUCA – Welt.

Vor dem Hintergrund der seltener gewordenen, direkten und persönlichen Kontakte und dem Anstieg der Verwendung digitaler Kommunikationskanäle wird es immer wichtiger, wirksam und vertrauensvoll zu kommunizieren. Hierfür braucht es offene Begegnungsräume, die eine reibungslose Zusammenarbeit und eine direkte Kommunikation der Teammitglieder am Arbeitsplatz unterstützen. Ebenso wichtig ist ein freundlicher, offener, respektvoller und wertschätzender Umgang miteinander, und zwar sowohl im Führungskontext als auch unter Kollegen mit einem kooperativen Teamklima. Partizipation und Kommunikation erfolgen auf Augenhöhe mit flachen Hierarchien und ohne Silodenken. Gerade Führungskräfte müssen beständig im Gespräch bleiben und aufmerksam zuhören können. Regelmäßig Feedback geben und nehmen ist ein wichtiger Bestandteil einer agilen, digitalen Unternehmenskultur. Ebenso gehören dazu transparente Strukturen und Prozesse mit freiem Zugang zu allen relevanten Informationen.

Wenn Ambiguität die Mehrdeutigkeit meint, die einem in komplexen Systemen regelmäßig begegnet, dann versteht man unter Ambidextrie (aus dem Lateinischen, mit der rechten und linken Hand) die Fähigkeit, sowohl das eine als auch das andere zu tun. „Organisationale Ambidextrie“ ist beispielsweise die Fähigkeit von Organisationen, gleichzeitig effizient und flexibel zu sein. Im Kontext der digitalen Transformation ist es bedeutsam, Geschäftsmodelle, Prozesse und Produkte radikal in Frage zu stellen und disruptiv neu zu gestalten, während man das laufende Geschäft konsequent und effektiv weiter betreibt, solange man damit noch sein Geld verdient. Führung in digitalen Zeiten will und kann beides, geht mit Ambiguitäten um und ist „beidhändig“.  

Wichtig für agiles Führen ist ein Umgang miteinander auf Augenhöhe, nachdem herkömmliches Hierarchie- und Bereichsdenken erfolgreich abgelegt wurde und eher flache Hierarchien gefördert werden. Es geht darum, mehr Coach als Chef zu sein und mehr Mentor als Kontrolleur, mehr um das Anleiten anstelle mit starren Vorgaben zu führen. Mitarbeiter werden eingeladen, echte Verantwortung zu übernehmen. Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft, Verantwortung tatsächlich abzugeben und den Menschen zu vertrauen. Ambigue ist, dass gleichzeitig in Organisationen Richtungen für partizipative Gestaltung vorzugeben und insbesondere im Konfliktfall auch Entscheidungen „von oben“ zu treffen sind.   
Führungskräfte sollten ihre Aufgabe darin sehen, ihre Mitarbeiter zu ermuntern, beständig Neues zu wagen und mit neuen Tools und Methoden zu arbeiten. Zugleich sollten sie sich darum kümmern, jenes zu erhalten, was das Unternehmen trägt und gut funktioniert. In agilen Unternehmen sind die Beschäftigten daher kreativ, neugierig und mutig, neue Dinge auszuprobieren und auch einmal andere Wege zu gehen, um den Kundenwünschen und Anforderungen noch besser und schneller zu genügen. Dabei gehen wie immer die Führungskräfte mit gutem Vorbild voran und gestalten eine offene Kultur und ein Umfeld, das Agilität fördert. Agilität kann man nicht verordnen, sie folgt von selbst nach, wenn die inneren und äußeren Voraussetzungen stimmen. Und das gilt sowohl für Krankenhäuser als auch für Unternehmen anderer Branchen.

Der wichtigste Mensch, den Sie zu führen haben, sind allerdings Sie selbst. Sich in seinem Inneren gut zu kennen, sich seiner Werte, Antreiber, Glaubenssätze und Ziele bewusst zu werden, ist ein wesentlicher Schritt hin zu „Guter Führung“ auch im digitalen Zeitalter. Auf dieser Grundlage sind viele weitere analoge und digitale Kompetenzen erlernbar, damit Sie sich und Ihr Unternehmen auch weiterhin auf einen guten Weg bringen können. Dabei spielen Sinnstiftung und eine klare Wertebasis eine große Rolle, damit die Menschen im Unternehmen Ihnen gerne folgen werden.

Pia Drauschke und Stefan Drauschke im Januar 2021