Wertschätzend Kommunizieren 1

Der NextHealth Change-Brief Nr. 24

Wertschätzend Kommunizieren (Teil 1)

In der vorletzten Kolumne ging es um Werte, um das, was uns wirklich wichtig ist und uns motiviert. Den Begriff Wertschätzung hören und sehen wir immer dann in Projekten oder Workshops, wenn es um wichtige Elemente der Unternehmenskultur und der Führungskultur geht. Oft wird der Begriff auch im Zusammenhang mit Kommunikation genannt. Doch was ist wertschätzende Kommunikation, was ist zu beachten, wenn man wertschätzend kommunizieren möchte, was bewirkt es, und was hat wertschätzende Kommunikation außer einem gemeinsamen Wortstamm mit den Werten zu tun?

Wir möchten erst einmal klären, was es nicht ist: es geht nicht um „weichgespültes Drum- herumreden“, es geht nicht um die „Blümchensprache“, wie man sie schon in manchen Comics rund um die Sprechblasen gesehen hat, es geht auch nicht um nette Komplimente.

Mit zwei Zitaten kommen wir der Sache schon näher: „Fortiter in re, suaviter in modo“ war die Devise, die Claudio Aquaviva, einer der berühmtesten Jesuiten in der Gegenreformation ausgab. Übersetzt heißt das „hart in der Sache, aber milde im Ton“ zu sein. „Sei nicht nett, sei klar“ ist der Leitspruch in der sogenannten „Gewaltfreien Kommunikation“ nach M. Rosenberg, die auf den Grundlagen der positiven Psychologie und der Gesprächstherapie nach Rogers basiert.

Wertschätzend zu kommunizieren berücksichtigt eine ganze Reihe von Aspekten, auf die wir im Folgenden in dieser und der nächsten Ausgabe eingehen werden. Generell geht es darum, den Wert des Menschen unangetastet zu lassen, während man positive oder negative Rückmeldungen zum Verhalten oder zu Ergebnissen gibt. Das klingt einfach, doch wenn Sie es nicht nur intuitiv richtig machen wollen, empfehlen wir den Rückgriff auf einige passende Modelle und manches Beachtenswerte. Wir starten mit dem inneren Kern, es geht um Einstellungen und Haltungen als Grundlage für wertschätzendes Kommunizieren.

Menschenbilder

Die Kommunikation hat den Ursprung in unserem eigenen Menschenbild. Wie sehen wir andere Menschen, was glauben wir über die Natur des Menschen an und für sich, und welche Auswirkungen hat das auf den Umgang mit anderen Menschen und die Wahrnehmungen, die wir in Folge machen werden. Douglas McGregor war Professor für Management am MIT und gilt als einer der Gründerväter des zeitgenössischen Managementgedankens. McGregor untersuchte die Mitarbeiter-dynamik in Unternehmen. In seinem Buch The Human Side of Enterprise stellte er 10 Prinzipien vor, mit deren Hilfe Führungskräfte ein Klima von Enthusiasmus, Engagement und Motivation in ihrem Unternehmen schaffen können. In diesem Zusammenhang entwickelte er die Theorie X und die Theorie Y, die das natürliche Verhältnis von Menschen zu ihrer Arbeit beschreiben.

Eine seiner wichtigsten Erkenntnisse war, dass das eigene Menschenbild wesentlichen Einfluss hat auf die Kultur und die Ergebnisse im eigenen Umfeld – man spricht auch von der selbsterfüllenden Prophezeiung, wonach Sie ernten, was Sie säen. Wenn Sie Ihren Mitarbeitern mit Druck und Misstrauen begegnen, werden Sie auf Widerstand und Gegendruck treffen – das bestärkt Sie wiederum in Ihrem Misstrauen, darauf basiert die Theorie X. Die gute Nachricht: Umgekehrt funktioniert das Prinzip genauso! Nach der Theorie Y wäre Arbeitsunlust nicht von Natur angeboren, sondern eine Folge schlechter Arbeitsbedingungen. Arbeit wird als Quelle der Zufriedenheit angesehen. Jemand mit diesem positiven Menschenbild geht davon aus, dass Mitarbeiter Zielvorgaben für sich annehmen und Selbstdisziplin und Selbstkontrolle besitzen. In der Folge sind die Mitarbeiterpotenziale oft größer als vermutet und damit stärker als erwartet nutzbar. Durch Belohnung und die Möglichkeit zur Persönlichkeitsentfaltung werden die Unternehmensziele am ehesten erreicht. Bei günstigen Erfahrungen suchen die Mitarbeiter die Verantwortung, wenn sie richtig geführt werden und Freude an der Leistung, Eigeninitiative und Kreativität sind gegeben.


Abbildung 1: Die sich selbst verstärkende Wirkung der Theorie Y (Quelle: Dipl.-Kfm. Frank Thielicke, Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg)


Den Menschenbildern nach den Theorien X und Y mit den entsprechend verschiedenen Führungsstilen liegen sehr unterschiedliche Glaubenssätze und Werte zu Grunde, die tief im persönlichen „Betriebssystem“ verankert sind. Diese sind durchaus Veränderungen zugänglich, wenn jemand feststellt, dass die eine oder andere Korrektur bei sich selbst hilfreich sein kann, um im Umfeld mit den Mitmenschen andere oder bessere Ergebnisse als bisher zu erzielen. Wir sprechen hier gerne von dem „eigenen Anteil“ an unerwünschten Ergebnissen, den es zu erkennen und zu verändern gilt.

Lebensanschauung und Grundhaltung

Die Transaktionsanalyse – das Transaktionsmodell – nach dem Psychiater Eric Berne, ist durch ihr Motto bekannt: Du bist ok, ich bin ok. Sie basiert auf psychoanalytischen Erkenntnissen und geht davon aus, dass jeder Mensch aus drei Persönlichkeits-Ebenen oder „Ich-Zuständen“ heraus reagieren kann: Das Eltern-Ich, das Erwachsenen- Ich und das Kind-Ich. An sich sind es sogar sechs Ich-Differenzierungen, auf die wir in einer späteren Kolumne noch einmal genauer eingehen werden.

Wird eine der drei Ebenen in einem falschen Kontext gewählt, kann dies die Kommunikation stark erschweren und führt leicht zu Konflikten. Ein enger Mitarbeiter von Berne, Thomas A. Harris, veröffentlichte schon 1963 das Buch I´m ok − You´re ok, das die auch in Deutschland bekannte Grundhaltung beschreibt, in der es sich am besten wertschätzend kommunizieren lässt. Hier fasst Harris seine ärztlichen Erfahrungen zusammen, die er seit fünfundzwanzig Jahren machen konnte. Er unterscheidet vier mögliche Lebensgrundhaltungen, dabei geht es um die Frage, wie jemand sich selbst und seine Mitwelt bewertet.

Es werden nach der folgenden Abbildung  4 Grundeinstellungen unterschieden:


Abbildung 2: Die 4 Beziehungs-Zustände


Ich bin nicht o.k. – du bist nicht o.k.

Hier ist die Grundeinstellung vollkommen negativ, dies macht Kommunikation schwierig oder sogar unmöglich. Wenn der Geschäftsführer schlecht gelaunt und voller Selbstzweifel ins Büro kommt und dann seine Assistentin anfährt, dass sie die Terminplanung mal wieder nicht „auf die Reihe“ bekommt, dann kann dies aus dieser Haltung heraus geschehen sein. Hier und bei allen folgenden Ich-Zuständen ist das Mittel der Wahl, diese bei sich selbst zu erkennen, um daran aktiv arbeiten zu können.

Ich bin nicht o.k. – aber du bist o.k.

Diese Grundeinstellung spricht für ein schlechtes Selbstwertgefühl, auch Unterlegenheitsgefühle gegenüber dem Gesprächspartner spielen eine Rolle für diese innere Einstellung. Vielleicht wurde eine Vereinbarung nicht eingehalten oder Überforderung ist im Spiel. Gute Kommunikation ist mit dieser Haltung schwierig, und Selbsterkenntnis hilft wie schon oben beschrieben weiter.

Ich bin o.k. – aber du bist nicht o.k.

Diese Haltung ist uns im Gesundheitswesengerade bei den sogenannten „Alphatieren“ manches Mal begegnet, sei es aus Überheblichkeit oder Selbstüberschätzung oder Vorurteilen den Gesprächspartnern gegenüber. Diese spüren immer wie der andere über sie denkt, egal wie freundlich die Fassade ist. Gute Kommunikation oder wertschätzendes Feedback sind mit dieser Haltung nicht mehr möglich, weil sich der oder die andere immer abgewertet fühlen wird und entsprechend reagiert. Die Beziehung ist eigentlich schon an ihrem Ende angelangt, wenn diese Grundhaltung bestehen bleibt. Wir empfehlen eine Trennung, wenn dies möglich ist.

Im gesellschaftlichen Gesamtkontext ist dies übrigens die Grundhaltung, mit der betrügerische Taten oder gar Schlimmeres gerechtfertigt werden. Also seien Sie achtsam mit sich selbst gerade auf diese Grundhaltung bezogen, die oft wie eine Abwärtsspirale negative Folgen im Umfeld nach sich zieht.

Ich bin o.k. – du bist o.k.

Dies ist die Haltung der Wahl, aus dieser Grundhaltung können Sie wertschätzend kommunizieren. Solange der Gesprächspartner sich dem Grunde nach von Ihnen anerkannt fühlt, können Sie sein Verhalten oder ungenügende Resultate kritisch ansprechen. Es geht ja oft eigentlich darum, mit gutem Willen zukünftig bessere Ergebnisse zu erzielen. Sie stärken ganz nebenbei noch die Selbstsicherheit Ihres Gesprächspartners und wenden dessen eigenes Selbstbild zum Positiven.

Zusammenfassend zu diesen vier Haltungen möchten wir feststellen, dass eine unkomplizierte, als angenehm empfundene Kommunikation „auf Augenhöhe“ in der Regel die Folge einer positiven Grundhaltung ist – nicht nur im Gespräch.

In der folgenden Kolumne möchten wir uns im zweiten Teil von „wertschätzend Kommunizieren“ damit befassen, wie man auf der Grundlage eines guten Ich-Zustandes mit einem positiven Menschenbild und einigen Kommunikationswerkzeugen wirksam und wertschätzend Feedback geben kann. Hierzu gehören u.a. wahrzunehmen ohne zu interpretieren oder zu bewerten, Ich-Botschaften auch über eigene Gefühle und Bedürfnisse zu senden und klare, verständliche Wünsche auf der Verhaltensebene zu formulieren.

Bis dahin können Sie schon einmal Ihr eigenes Menschenbild näher betrachten und Ihre Grundhaltung anderen gegenüber im Gespräch, wenn Sie es ernst damit meinen, an Ihrer Fähigkeit wertschätzend zu kommunizieren zu arbeiten. Dies gilt übrigens nicht nur für Arbeitsbeziehungen, sondern für Beziehungen zwischen Menschen im Allgemeinen. Menschen führen heißt immer zuerst sich selbst zu führen. Wenn Sie jetzt noch beherzigen, dass immer dann, wenn Sie sich selbst ein wenig verändern, auch im Umfeld häufig Veränderungen wahrzunehmen sind, nähern Sie sich mehr und mehr den Grundprinzipien wirksamer Kommunikation.

Dr. Stefan Drauschke, März 2014

Erschienen in der KMi-Kolumne, Klinik Markt inside 6/2014