Feedback-Werkzeuge

Der NextHealth Change-Brief Nr. 31

Mit Feedback-Werkzeugen arbeiten

In den letzten vier Kolumnen ging es um Wertschätzung in den verschiedensten Ausprägungen, und eines hatten alle Betrachtungen gemeinsam: Immer sind dialogische Kommunikation und Feedback wesentliche Instrumente, um eine wertschätzende Firmenkultur zu implementieren, zwei davon stellen wir Ihnen heute vor.

Das Feedback-Gespräch

Das einfachste Werkzeug ist das direkte Feedback-Gespräch. Hierfür möchten wir Ihnen zwei praktikable Gesprächsmuster anbieten, die erfahrungsgemäß zu guten Ergebnissen führen in dem Sinne, dass die Bereitschaft des Feedbacknehmers vergrößert wird, dessen jeweiliges Handeln im gewünschten Sinne zu verändern. Nur zur Erinnerung: Ein Feedbackgespräch ist immer prozess- und zielorientiert, möchte also auf der Verhaltensebene zielgerichtet Veränderung induzieren und ist dabei von der guten Absicht geprägt, dass es nach dem Gespräch bessere Ergebnisse geben wird als davor. Es setzt also generell die Bereitschaft für ein gutes Miteinander beider Gesprächspartner voraus. Weiterhin müsste beim Feedbackgeber die Grundhaltung bestehen, dass eine Verbesserung der Situation durch Verhaltensänderung des Feedbacknehmers überhaupt möglich ist.

Eines der beiden Gesprächsmuster beginnt mit einem Kompliment. Sie sagen wirklich ehrlich, was Sie an Ihrem Gesprächspartner besonders schätzen und wie das auf Sie wirkt.  Letzteres verstärkt das Kompliment, allerdings nur dann, wenn es tatsächlich der Wahrheit entspricht, sonst bewirken Sie das Gegenteil! Sie könnten nun noch eines „draufsetzen“
und ergänzen, was Sie von dem anderen lernen möchten. Anschließend kommt die kritische, verhaltensbezogene Anmerkung, was Sie sich wünschen, dass der Gesprächspartner zukünftig nicht mehr tun möge. Es folgt ein Beispiel eines wertschätzenden Feedbacks eines Chefarztes an den Assistenten, das nach diesem Muster aufgebaut ist:

„Als ich neulich mit Ihnen im OP war, habe ich gesehen, wie Sie sehr geschickt die Bauchnaht fertiggestellt haben. Das wirkt auf mich, als würden Sie diese Technik schon sehr gut beherrschen, so dass ich Sie viel mehr selbständig arbeiten lassen kann. Gerne würde ich von Ihnen lernen, Neues so schnell in das eigene Repertoire zu integrieren. Ich würde mir von Ihnen wünschen, dass Sie auch für die Schnittführung am Modell so trainieren, dass Sie zukünftig die ganze OP – natürlich von mir begleitet – selbst durchführen können.“

Sie merken schon, die Kritik ist gut annehmbar, weil genügend ehrlich wahrgenommenes Positives in der Aussage steckt. Dieses Feedback wirkt wahrscheinlich motivierend. Obgleich wir einen Chirurgen noch niemals auf diese Weise haben reden hören, wäre es für die flexiblen unter Ihnen vielleicht ja einen Versuch wert.

Das andere Muster ist eine Kritik in 5 Schritten, von denen der 1., 3. und 4. obligat und der 2. und 5. fakultativ sind. Es beginnt mit den Fakten (1), was ist gewesen, was ist vorgefallen, was haben Sie wahrgenommen. Im zweiten Schritt erläutern Sie die Bedeutung der Wahrnehmung (2). Dann folgt eine Selbstauskunft über Ihr eigenes Gefühl und/oder Ihr Bedürfnis (3). Nun folgt als Kern die Bitte um konkretes anderes Verhalten in der Zukunft (4) möglicherweise gefolgt von der Nachfrage, ob das so verstanden oder akzeptabel ist
(5). Ja, Sie haben recht, dass dieses Kritikmuster sehr an dem Prinzip der GfK (gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg) angelehnt ist.

Das Beispiel nach dieser Vorgehensweise, beispielsweise in einer Leitungsrunde, könnte lauten: Sie haben mich gestern bei unserer Besprechung mehrfach geduzt, obwohl ich Sie in der letzten Woche um das „Sie“ gebeten habe (Wahrnehmung). Ihre Anrede führt bei Ihren Kolleginnen und Kollegen zu falschen Vermutungen bezüglich unserer Beziehung (Wirkung). Ich bin ausgesprochen ärgerlich, mein Bedürfnis ist es, im Unternehmen unter Kollegen den notwendigen, professionellen Abstand zu wahren (Gefühl/Bedürfnis als Ich- Botschaft). Ich bitte Sie, mich in Zukunft immer zu siezen (Verhaltensebene!). Ist das für Sie machbar (Nachfrage)?

Hier gilt wie in der GfK, dass es nicht darum geht nett zu sein, sondern klar!

Das 180°/360° Feedback-Tool

Wir möchten als weiteres Feedbackwerkzeug ein webbasiertes Feedbacktool vorstellen, das bei einer guten Feedbackkultur in Ihrem Unternehmen ermöglicht, Elemente der Führungskultur und Führungskulturentwicklung zu „messen“ und darüber hinaus noch wertvolle Anreize für Veränderungen zu generieren. Es handelt sich um ein 180°/360°- Feedback- Tool als strukturierte Befragungsmethode zur Einschätzung des Verhaltens von Fach- und Führungskräften aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Führungskräfte erhalten Rückmeldungen zu ihrem Führungsverhalten z.B. aus Sicht ihrer nachgeordneten Mitarbeiter und Vorgesetzten sowie von Kollegen oder sogar Kunden oder Externen. Dem auf diese Weise aus verschiedenen Perspektiven entstehenden Fremdbild wird das Selbstbild des Feedbacknehmers gegenübergestellt und verglichen. Außerdem wird die Differenz zwischen dem Ist und dem Soll betrachtet, und zwar sowohl im Selbst- als auch im Fremdbild.

Je nachdem welche Feedbackgeber innerhalb aller relevanten Personengruppen im beruflichen Umfeld in die Analyse mit einbezogen werden, spricht man entweder von einem 90°-, 180°- oder 360°-Feedback (Abb.1).

Der Nutzen eines 180°/360°-Feedbacks liegt auf der Hand: Für eine Führungskraft ist das Erhalten von Feedback eine wichtige Erfolgsvoraussetzung. Mit dem 180°/360°-Feedback wird das Verhalten des Feedbacknehmers aus verschiedenen Perspektiven eingeschätzt, denn die jeweiligen Feedbackgeber erleben ihn in unterschiedlichen Situationen und Kontexten und können so spezifische Verhaltenseindrücke beisteuern. Der Feedbacknehmer erhält dadurch eine umfassende Rückmeldung zu seinem Führungsverhalten. Durch den Vergleich des auf diese Weise entstandenen Fremdbildes mit dem Selbstbild des Feedbacknehmers werden Stärken und Engpässe leicht erkennbar und Handlungsbedarfe und Verbesserungspotenziale können aufgezeigt werden. Ganz besonders spannend ist es, wenn im Selbstbild zu bestimmten Faktoren eine hohe eigene Selbstzufriedenheit besteht, und im Fremdbild gravierende Lücken zwischen dem angegebenen Ist und dem Soll aufgezeigt werden. Aus den gewonnenen Erkenntnissen lassen sich gezielt individuelle Weiterentwicklungsmöglichkeiten, Coaching- und Trainingsmaßnahmen ableiten, was die Entwicklung einer Führungskraft optimal fordert bzw. fördert. Ganz nebenher steigert sich oft die Zufriedenheit, Leistung und Produktivität der Führungskräfte.

Merkmale und Besonderheiten des 180°/360° NextHealth-Feedback-Tools bestehen darin, dass es onlinebasiert ist und es Ihnen ermöglicht, alle Varianten des Feedbacks (90°-360°) durch Anlegen verschiedener Feedbackgruppen bzw. gezielter Auswahl der Feedbacknehmer und –geber in der Praxis durchzuführen. In der Standardeinstellung werden fünf wichtige Führungscluster mit ca. 50 Fragen abgebildet, von denen hier einige beispielhaft aufgeführt sind:

– Cluster Zuverlässigkeit:
Er/Sie trifft Entscheidungen und setzt sie konsequent um. Er/Sie bleibt ruhig und ausgeglichen und vermittelt dies auch anderen Menschen

– Cluster Organisationsfähigkeit:
Er/Sie schätzt den zeitlichen Aufwand der von ihm/ihr delegierten Aufgaben treffend ein. Er/Sie erscheint gut organisiert zu Meetings, vermeidet Störungen (z.B. Handy) und bleibt vorbildlich bei der Sache

– Cluster Kommunikationsfähigkeit/Umgang mit Menschen:
Er/Sie schafft es, andere Menschen durch seine Überzeugungskraft zur Mitarbeit zu bewegen. Seine/Ihre Kommunikation (Inhalt, Tonalität, Sprechgeschwindigkeit, Körpersprache) hat die gewünschte Wirkung.

– Cluster Ziel- und Strategieorientierung:
Er/Sie weiß, was er/sie will und plant die Maßnahmen entsprechend. Er/Sie vereinbart mit seinen/ihren Mitarbeitern verbindliche und klare Zielabsprachen (fachlich und persönlich)

– Cluster Durchsetzungsvermögen:
Er /Sie überzeugt durch kompetentes und professionelles Auftreten. Mut und Risikobereitschaft gehören zu seinen/ihren ausgeprägten Tugenden als Führungskraft.

Die Fragen lassen sich in dem Werkzeug frei editieren und ergänzen sowie jederzeit individuell an Ihre Unternehmens- und Führungskultur anpassen und um zusätzliche Fragen oder ganze Kompetenzcluster erweitern. Auch die Verhaltenselemente einer spezifischen Führungsleitlinie können so ideal in Form von Fragen abgebildet werden. Das Feedback-Tool nimmt neben der Bewertung des Ist-Zustandes auch die Bewertung des gewünschten Zielzustandes vor. Das daraus resultierende Delta zeigt den notwendigen Handlungsbedarf auf. Die  Auswertungen je Kompetenzcluster erfolgen in grafischer und in tabellarischer Form, immer als Gegenüberstellung der Selbst- und Fremdsicht. Die Feedbackgeber können dabei sowohl anonym als auch auf Wunsch mit Namen aufgeführt werden.

Eine Nullmessung vor einer Führungskulturinitiative könnte stattfinden, um ein Jahr später oder jährlich die Summe der Differenzen zwischen Soll und Ist je Frage oder je Cluster zu ermitteln im Vergleich zu den Startwerten. Auf diese Weise kann die Wirksamkeit von Maßnahmen und Interventionen wie ein Trainingsprogramm verhältnismäßig objektiv dokumentiert werden.

Kurz gesagt handelt es sich bei diesem Feedbackwerkzeug um eine
 

  • strukturierte Befragungsmethode zur Einschätzung des Verhaltens von Fach- und Führungskräften aus unterschiedlichen Perspektiven
  • Methode, die kombinierbar ist mit persönlichen Coachinggesprächen und einer Prozessbegleitung. Dabei werden die Ausgangslage und der Entwicklungs- und Trainingsbedarf festgestellt im Vorfeld oder Verlauf von anstehenden Trainings- und Qualifizierungsmaßnahmen.

Wir denken, dass Sie jetzt genügend Anregungen haben, um „im Feld“ die verschiedenen Formen von Feedback auszuprobieren und damit gute Erfahrungen zu sammeln. Gespräche und das webbasierte Werkzeug sind dabei keine Alternativen, sondern beide haben ihren festen Platz im Repertoire von guten Führungskräften. Letztendlich ist es am besten, beides zu kombinieren. Wenn beispielsweise eine Gruppe von Führungskräften mit dem Feedback-Tool gearbeitet hat, dann liegt es nahe, sich insbesondere in kleineren Gruppen als Feedbackgeber zu zeigen, damit der Feedbacknehmer gezielt hinterfragen kann, wie er die angezeigte Lücke zwischen dem subjektiven Soll und Ist meint (was ist die Wahrnehmung) und was der Feedbacknehmer zukünftig anders/mehr/weniger/nicht mehr tun solle. Hören Sie es sich einfach an; die Entscheidung, an Ihrem Verhalten oder Ihrem Leben etwas zu verändern, bleibt immer bei Ihnen, solange Sie mit den Konsequenzen gut umgehen können. Sie können alles tun, und jede Alternative hat ihren Preis. Egal für was Sie sich entscheiden, Sie müssen nur bereit sind, den Preis dafür zu „bezahlen“.

Dr. Stefan Drauschke, Juli 2014

Erschienen in der KMi-Kolumne, Klinik Markt inside, Juli 2014, Ausgabe 14