Mitarbeiter vertreiben (Changebrief 79)

Wie Sie Ihre MitarbeiterInnen garantiert verlieren …

Wie Sie Ihre MitarbeiterInnen garantiert verlieren …

Nachdem wir in der vorletzten Kolumne darüber geschrieben haben, wie man Change-Prozesse garantiert zum Scheitern bringt (Quelle: Klinik Markt Inside, 20. Mai 2019, 17. Jahrgang, medhochzwei Verlag GmbH, ISSN 1613-0502, S. 11-14, https://www.nexthealth.de/wenn-sie-ihre-change-vorhaben-garantiert-zum-scheitern-bringen-wollen/), haben wir für Sie dieses Mal zusammentragen, wie Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Sicherheit nicht halten werden bzw. sogar aktiv vertreiben – zur Freude Ihres Wettbewerbs.
Wie oft hören und spüren wir, dass der Mangel an qualifizierten und leistungswilligen Mitarbeitern eines der wichtigsten Entwicklungshemmnisse in vielen Unternehmen und Krankenhäusern ist. Nun ist es schwer genug, solche Mitarbeiter zu finden und für das eigene Unternehmen zu interessieren. Doch wenn sie erst einmal da sind, dann geht es darum, sie auch zu halten. Dabei ist ja bekannt, dass Mitarbeiter zum Unternehmen kommen, und ihren Chef verlassen.
Was ist es also, das Mitarbeiter dazu bringt, der Führungskraft den Rücken zu kehren?
Über die gute Seite von Führung haben wir schon öfter geschrieben, doch die „dunkle Seite“, die Mitarbeiter davonspringen lässt, ist weniger bekannt. Wir haben nachgeforscht und möchten Ihnen die wichtigsten negativen Charaktereigenschaften vorstellen, die weit verbreitet und bei Führungskräften manchmal einzeln, manchmal aber auch zu mehreren anzutreffen sind. Anschließend betrachten wir noch Verhaltensweisen, die Mitarbeiter meist wenig bis gar nicht schätzen. In der nächsten Kolumne schließlich lösen wir das Rätsel für zeitgemäße, gute Führung noch auf, indem wir Ihnen die Ergebnisse einer Langzeitstudie von Google zum Thema Führung näherbringen.

Sie kennen vielleicht die „Big Five“, die in der Psychologie die fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeit beschreiben. In Anlehnung an diesen Begriff gehen wir auf die fünf wichtigsten Leadership-Untugenden ein, die „Bad Five“. Hierbei handelt es sich um Ungeduld, Perfektionismus, Negativität, Selbstsucht und Hochmut (Quelle: A. Groth, die Bad Five, managerSeminare Heft 256, Juli 2019, S. 18-24). Es geht nicht so sehr darum, ob man so eine Charaktereigenschaft hat oder nicht, sondern wie stark man dazu neigt und wie sehr man zulässt, dass diese das eigene Führungsverhalten dominieren.

Mit der Ungeduld ist das so eine Sache. Viele Menschen kokettieren damit, sie seien ungeduldig und wollen das als Stärke verkaufen. Geistig beweglich sein und schnell denken ist zunächst positiv, doch als Führungskraft geht es darum, andere zu Höchstleistungen zu bringen. Wenn Sie ständig drängen und nachfragen, fördern Sie vor allem den Stresslevel in Ihrer Umgebung, was der Leistungsfähigkeit nicht gut tut, Fehlerraten steigen und die Kreativität sinken lässt. Empathisch sind Ungeduldige auch zumeist nicht und darunter leidet der Kontakt mit der Umgebung. Wenn die Menschen im Umfeld erst einmal „zumachen“, befördert Sie das schnell in den sprichwörtlichen Elfenbeinturm, von dem aus Führung schwer fallen wird.

Quelle: Pia Drauschke, 2018.

Auch Perfektionisten finden meist gut, dass sie „so sind“ und fordern stets 110 %. Doch in Wirklichkeit sind sie nie richtig zufrieden, genug ist nicht genug und ein Haar in der Suppe ist immer zu finden. Jedes Detail ist wichtig, und manchmal sehen sie den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Mitarbeiter werden mit endlosen Verbesserungsschleifen genervt und Anerkennung ist oft ein Fremdwort. Wer möchte denn schon gerne mit seinen Ergebnissen zu seinem „Besserwisser-Chef“ gehen, wenn man sowieso weiß, dass es nicht gut genug ist. Auch Innovationen und das Ausprobieren leiden, sodass die notwendige Veränderungsgeschwindigkeit meist nicht erreicht wird.

Wer sich ständig auf Fehler konzentriert, hat eine Art „dunkle Brille“ auf und neigt damit zur Negativität. Doch wer möchte denn mit oder unter jemanden arbeiten, der ständig nur Probleme sieht und miesepetrig durchs Leben läuft, ohne das Gefühl bei seinen Leuten zu verbreiten, dass es gut werden und man es schaffen wird. Gutes wird regelmäßig übersehen, Lob bleibt aus und am Ende sind alle gemeinsam frustriert. Und was die Glaubenssätze betrifft, so steht schon bei R. A. Wilson  zur „Self Fulfilling Prophecy“ geschrieben „was der Denker (im eigenen Kopf) denkt, wird der Beweisführer (im selben eigenen Kopf) beweisen“ (Quelle: R. A. Wilson, Der neue Prometheus, Rowohlt-Verlag, ISBN-10: 3499183501). Wenn Sie denken, alles wird schlecht, werden Sie auch weniger von dem tun oder wahrnehmen, was es gerade braucht, und es wird tatsächlich schlecht. Und schon hat der Negative einmal wieder recht!

Der Selbstsüchtige denkt nur an sich und ist auf sich fokussiert, die Mitarbeiter sind nur Mittel zum Zweck und alles wird für die eigenen Ziele utilisiert. Auch das Unternehmen spielt keine echte Rolle. Interner Wettbewerb wird großgeschrieben, will man doch mehr glänzen als die anderen, was der heute notwendigen Vernetzung entgegensteht. Doch die Menschen haben dafür Antennen und bemerken schnell, dass sie für den anderen als Mensch nicht wichtig sind. Vertrauen ist damit schnell zerstört, die Stimmung sinkt. So richtig gerne folgen wird auch niemand mehr der selbstsüchtigen Führungskraft, denn viele wissen instinktiv, dass sie in schweren Zeiten im Stich gelassen werden.

„Hochmut kommt vor dem Fall“ sagt ein Sprichwort. Wer sich höher und wertvoller einschätzt als die anderen Menschen, wird dazu neigen, andere zu erniedrigen, und sei es nur im eigenen Denken. Hochmütige neigen dazu, selbstherrlich zu agieren, ohne die Berücksichtigung von Fakten oder Meinungen anderer zu entscheiden und geben gerne Ideen anderer als die eigenen aus. Dabei sind sie empfänglich dafür, dass man ihnen nach dem Munde redet. Damit macht man sich im Unternehmen und der Branche keine Freunde und die Gefahr der Isolation besteht. Partizipation ist ein Fremdwort und mitdenkende Mitarbeiter werden schnell frustriert.

Den Charaktereigenschaften folgt das Verhalten. Menschen sind Sinnsucher, wie es schon Viktor Frankl formuliert hat. In einer Studie (Quelle: C. Bailey und A. Madden, Artikel für die MIT Sloan Review of Management) wurde der Frage nachgegangen, welche Verhaltensweisen das Sinnerleben von Mitarbeitern empfindlich stören. Sieben davon wollen wir hier näher beschreiben.

Werte sind tiefe, meist unbewusste Vor- und Einstellungen, die dem Wertenden wirklich bedeutsam sind. Wenn die im Unternehmen explizit oder implizit gelebten Werte wenig mit denen der Mitarbeiter übereinstimmen, ist das mit Sinnerleben nicht vereinbar. Vor diesem Hintergrund betrachten wir Werte als besonders beachtenswert (Quelle: Klinik Markt Inside, 25. März 2019, 17. Jahrgang, medhochzwei Verlag GmbH, ISSN 1613-0502, S. 11-13, https://www.nexthealth.de/werte-und-werteentwicklung-4-0-change-brief-nr-76/), sie sind Vitamine der Seele, wenn sie gelebt werden. Zu viel Bürokratie ist oft ein Zeichen von mangelndem Vertrauen in der Unternehmenskultur der Organisation. Zu viel Wiederholung und als unnötig empfundene Formulare und Routinen sind sicher mit sinnvoll erlebter Arbeit nicht vereinbar. Wertschätzung ist wichtig, dazu gehört einerseits den Wert des Menschen im Unternehmen anzuerkennen ohne Bezug auf die Leistung (die Voraussetzung für wertschätzendes kritisches Feedback) und andererseits gute Ergebnisse und Leistungen zu bemerken und wertzuschätzen. Beides führt zu dem Gefühl, ernstgenommen und gebraucht zu werden, das für viele Menschen die Essenz sinnerfüllter Arbeit ist. Menschen in sozialen Systemen haben ein feines Sensorium für Gerechtigkeit und Gleichbehandlung. Wenn Vergütungen, Urlaubsregelungen oder Privilegien ungleich verteilt sind im Vergleich zu Kollegen, ist die Frustration sehr schnell da und die Orientierung richtet sich weg vom Unternehmen.
Menschen wollen selbstwirksam sein und einen Spielraum nutzen. Wenn die Führungskraft autokratisch überall hineinregiert, Freiräume beschneidet, die Mitarbeiter geradezu entmündigt und zu viele Vorschriften macht, leidet die Freude an der Arbeit erheblich. Dies geschieht ebenso, wenn Menschen als soziale Wesen den Kontakt mit anderen nicht mehr suchen können oder dürfen, weil hierfür bei der Arbeit keine Gelegenheit besteht und der Ton nur noch dienstlich ist. Wenn dann noch physische oder psychische Gefährdungen hinzukommen beispielsweise durch Mobbing oder sexuelle Übergriffe oder unnötige Gefahren bei der Arbeit durch mangelnden Arbeitsschutz, stirbt das Gefühl für Sinnerleben sicher.

Nun wissen Sie, worauf Sie achten können, um gute Mitarbeiter zu halten und weiter für Ihr Unternehmen zu begeistern. Und wieder einmal fängt es bei Ihnen selbst an, der Fisch beginnt am Kopf zu wachsen, wie wir es gerne sagen.
Pia Drauschke und Stefan Drauschke im Juli 2019