Strukturen im Change

Der NextHealth Change-Brief Nr. 11

Mit parallelen, vernetzten Strukturen schneller im Change!

Personal, Einkauf oder Facility Management das Unternehmen über alle Standorte oder Abteilungen hinweg durchziehen. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass es häufig in einer Art dritten Dimension zusätzlich noch eine Projektorganisation gibt, in der Mitarbeiter neben ihrer Rolle in der Matrix gleichzeitig noch eine weitere im Projekt oder in mehreren besitzen, beginnt es komplex und unübersichtlich zu werden. Zumindest verzögert sich die Geschwindigkeit in Change-Prozessen und die Kommunikation ist erschwert, während gleichzeitig die Anforderungen an die Veränderungsfähigkeit und -geschwindigkeit immer größer werden.

Je wichtiger effektiver Wandel wird, umso mehr steigt das Bedürfnis nach Strukturen, die Wandel schneller und einfacher werden lassen. Prof. J. Kotter, Managementvordenker im Thema Change-Management seit vielen Jahrzehnten, postuliert daher in der Novemberausgabe 2012 des Harvard Business Review, dass wir eine Parallelorganisation im Unternehmen benötigen, um mit der wachsenden Veränderungsgeschwindigkeit überhaupt mithalten zu können (ManagerSeminare Heft 173, 1-2013). Wenn Dynamik und Komplexität zunehmen, sind die herkömmlichen Strukturen des Organigramms oder der Matrix allein nicht mehr ausreichend. Er zieht den Vergleich mit den zweiGehirnhälften des Menschen, wo die linke für das rationale, faktenbezogene und eher langsame Denken steht (wie die formale Organisation mit ihrer Struktur) und die rechte für die Emotion, das intuitive und eher schnelle, vernetzte Denken. Die rechte Hirnhälfte integriert riesige Informationsmengen in kurzer Zeit sehr effektiv und arbeitet daher mit sehr hoher Geschwindigkeit, wobei sich natürlich beide Seiten ergänzen und in ihrer Gesamtheit unverzichtbar sind.

Im Unternehmen kann Schnelligkeit, Agilität und Kreativität nur durch ein strategisches Netzwerk erreicht werden, das mit der klassischen Management-Hierarchie verknüpft ist und alle Mitarbeiter aller Hierarchieebenen simultan einbezieht. Kotter spricht von zwei parallelen Strukturen und einer Organisation im Sinne von zwei gut koordinierten Systemen. Soweit die Theorie – doch wie kann man diesen guten Gedanken in der Praxis umsetzen?

In Change-Projekten arbeiten wir schon seit vielen Jahren mit dem systemischen „Vierschichten-Modell®“, das die Idee von zwei vernetzten Strukturen in einer Organisation abbildet. Aus systemischer Sicht besteht eine Organisation vereinfacht gesagt aus kommunizierenden Elementen, und wenn man die Kommunikation verändert, dann verändert man auch das System als solches. Das ist einer der Gründe, warum Kommunikation im Change-Prozess so sehr bedeutsam ist. Oft ist von einem Informationsdefizit im Unternehmen die Rede, meist liegt aber ganz im Gegenteil ein Informationsüberfluss vor, und dafür eher ein Mangel an echter dialogischer Kommunikation. Nur wie kann man dialogische Kommunikation und Top-Down-Bottom-Up-Mitgestaltungsprozesse in einem Krankenhaus strukturieren, das hunderte oder gar tausende von Mitarbeitern hat?

Unser „Vierschichten-Modell®“ der Organisation beschreibt vier kommunizierende Ebenen vereinfacht in vier Kreisen, den K1 bis K4 (K=Kreis), wobei diese gerade nicht 1:1 die Struktur des Organigramms abbilden, sehr wohl aber damit vernetzt sind. Die den K-Kreisen zugeordneten Menschen treten situativ zusammen, die Zusammensetzung ändert sich je nach Anlass oder Projekt. Es handelt sich also nicht um dauerhaft eingerichtete und ständig nominierte Gremien, sondern eher um zeitweise definierte im Rahmen der jeweiligen benannten Systeme und Veränderungsprozesse.

K1 – Führungskreis oder die Veränderungskoalition frei nach J. Kotter

Der so genannte K1 ist häufig der Lenkungskreis in Projekten und/oder oberstes Entscheidungsgremium im Change-Prozess. Daher bilden den K1 in der Regel die Mitglieder der obersten Hierarchiestufe (Geschäftsführer, Vorstand, Leitung etc.) und ggf. ein bis zwei weitere wesentliche Personen, von denen bekannt ist, dass ihren Worten konsequent Taten folgen und mit Widerstand adäquat umgegangen wird. Im K1 getroffene Entscheidungen sind natürlich immer auch entsprechend den Gremien im Aufsichtsrat, im Vorstand, in der Geschäftsführung oder von der jeweiligen Leitung formal zu beschließen.

K2 – Erweitertes Projektteam oder Arbeitsgruppe

Der K2 fungiert als Arbeits- und Beratungsgremium und ist in Change-Projekten verantwortlich für die inhaltliche und redaktionelle Bearbeitung der anstehenden Themen wie z.B. Strategie, Führungskultur etc.. Die Größe des K2 ist abhängig vom System, um das es in der Veränderung geht. Eine Klinik oder Abteilung bildet einen K2 mit nur 5- 8 Personen, ein ganzes Krankenhaus oder eine Uni-Klinik wird im K2 mehr als 20 Personen zulassen. Es handelt sich bei diesen allerdings nicht gemäß dem Organigramm um die Mitglieder der zweiten Führungsebene, sondern neben einzelnen Führungskräften auch um Leistungsträger oder sog. Change-Agents sowie konstruktive Kritiker aus unterschiedlichen Berufsgruppen und Ebenen, deren Stimmen im Unternehmen Gewicht haben und die mit guten Einwänden das Thema wesentlich voran bringen können. Im K2 erfolgen inhaltliche und strategische Diskussionen um Ziele oder anstehende Themen sowie die Verdichtung und Selektion von Maßnahmen und Projekten, die beispielsweise aus K3 und K4 Konferenzen (s.u.) stammen.

K3 – Führungskräfte und Leistungsträger

Der K3 besteht i.d.R. aus den Mitgliedern von K1 und K2 sowie aus Führungskräften und Leistungsträgern der Organigrammebenen 1-3. Er ist immer berufsgruppen- und hierarchieübergreifend zusammengesetzt, wobei das Thema, weshalb ein K3 zusammentritt, auch für die personelle Besetzung ausschlaggebend ist. Hier wird im Rahmen von gegebenen Leitplanken in definierten Gestaltungsräumen echte Mitwirkung praktiziert, Strategiekonstrukte erarbeitet und konkrete Umsetzungsmaßnahmen entwickelt oder in Reviews die Wirksamkeit beschlossener Maßnahmen kritisch hinterfragt. Sog. Zukunftskonferenzen sind beispielsweise ein sehr gutes Großgruppenformat, um im K3 interaktiv zu arbeiten. Je nach Größe des Systems setzt sich in typischen Krankenhäusern und Klinikunternehmen der K3 aus 30 bis 300 Mitgliedern zusammen. Neben der Gestaltungsmöglichkeit liegt bei diesen Menschen wie auch im K2 eine wichtige Multiplikatoren- und Motivationsfunktion gegenüber nachgeordneten Mitarbeitern und Kollegen. Schließlich repräsentiert er auch die sog. mittlere Führungsebene, die verantwortlich ist für die Umsetzung von durch die Geschäftsleitung beschlossenen Strategien. Je eher diese auch gemeinsam im und mit dem K3 erarbeitet und konsentiert worden sind, je einfacher und selbstverständlicher wird diese Rolle auch eingenommen werden.

K4 – Großgruppe

Der K4 besteht aus den Mitgliedern von K1-K3 und hierarchieübergreifend aus MitarbeiterInnen aller Berufsgruppen des Systems. Im K4 wird sowohl „Top down“ oder horizontal informiert als auch gemeinsam an Umsetzungsmöglichkeiten interaktiv gearbeitet. Es werden Ideen produziert sowie Inhalte und Themen kritisch hinterfragt. Eine gute Methode für den K4 sind Open Space Konferenzen, in denen bis zu 1000 Teilnehmern sehr gut aktiv und workshopartig an sog. Marktständen zusammenarbeiten können, wenn die Vorbereitung und Moderation entsprechend professionell erfolgt. Je nach Systemgröße besteht der K4 in Krankenhäusern oder deren Abteilungen aus 100 bis 1000 Teilnehmern.

Selbstverständlich werden in der strategischen Unternehmenskommunikation auch elektronische Medien und soziale interne Netzwerke (corporate communities) für die Netzwerkbildung ergänzend herangezogen. Doch dies ersetzt nicht, von Zeit zu Zeit in größeren Gruppen, persönlich, gemeinsam und emotional intensiv an wichtigen Themen zu arbeiten und Lösungen zu entwickeln. Im Change-Prozess wird daher zu Beginn im K1 festgelegt, wann welcher K-Kreis mit welchem Ziel und welchen Methoden und Formaten zusammentrifft, um mit dem entsprechenden Ablauf in gegebener Zeit gute, gemeinsame Ergebnisse zu erzielen.

Partizipative Führung mit zwei gut vernetzten parallelen Strukturen (Organigramm und Vierschichtenmodell) ermöglicht effektive und schnellere Veränderungen. Wenn Sie „ganzhirnig“ die Zukunft gestalten, werden Sie erleben, wie wirksam gemeinsam getroffene Entscheidungen sind und wie hoch die Verbindlichkeit für die zügige Umsetzung in der Gruppe derer ist, die gemeinsam nach ehrlichem Ringen diesen Konsens gefunden haben. Führung bekommt so wieder ein wenig mehr von der Leichtigkeit, die Führungskräfte brauchen, damit man ihnen folgt – und damit auf diese Weise gemeinsam die bestmöglichen Ergebnisse erzielt werden.

Dr. Stefan Drauschke, im Juni 2013

erschienen in der KMi-Kolumne, Klinik Markt inside 12/2013