Über das OKR Modell (Changebrief 84)

Das OKR Modell – Objectives and Key Results

Manche von Ihnen haben eine gute mittelfristige Strategie für Ihr Unternehmen mit einer Vision, Mission und mit smarten Zielen, für die gut messbare Kennzahlen gesetzt sind. Zahlreiche Projekte sind definiert, die auf einer Roadmap angeordnet sind und Zug um Zug zur Zielerreichung beitragen.

In den heutigen schnelllebigen Zeiten erscheinen manchmal solche Strategien und Ziele zu starr – oder zu wenig agil. Wir beide glauben, dass es natürlich einen strategischen Rahmen braucht, der sich über mehrere Jahre spannt und in dem große Maßnahmenpakete in Form von Projekten organisiert sind. Währenddessen sind zusätzliche Instrumente sinnvoll, um eine große Vision mit kurzfristigen Zielen in kleineren Organisationseinheiten erreichbar und handhabbar zu machen jenseits des herkömmlichen Projektmanagements – oder zusätzlich.

Eines dieser Instrumente heißt „OKR“, was für Objectives and Key Results steht. Es geht dabei um qualitative Ziele und quantitative Schlüsselergebnisse. Die Methode ist in den 70iger Jahren beim Halbleiterhersteller Intel entwickelt worden und 1999 über einen Investor zu Google gelangt, wo sie seither zum strategisch-agilen Inventar gehört. Wie die meisten agilen Methoden wie beispielsweise Scrum oder KanBan stammt sie aus dem digitalen, sich schnell entwickelnden IT-Wirtschaftssektor.

Doch am Anfang steht auch für OKR eine unternehmerische Vision, die das „wohin“ auf der Ebene eines Big Pictures beschreibt und mit strategischen Initiativen flankiert wird. Doch im nächsten Schritt werden auf allen Ebenen und Bereichen im Unternehmen von den Teams in Abstimmung mit ihren Vorgesetzten nach der OKR Methode in der Regel quartalsweise fünf Ziele festgelegt mit jeweils nicht mehr als vier Schlüsselergebnissen. Ein Schlüsselergebnis ist ein wesentliches Resultat, das die Zielerreichung aus Sicht des Teams sehr wahrscheinlich macht. Auf diese Weise lassen sich große, mittelfristige Unternehmensziele gut in kleinere Unterziele zerlegen, und zwar sowohl in Bezug auf verschiedene Organisationseinheiten als auch auf kürzere Zeiträume. Die Summe aller OKR im Unternehmen spiegelt umgekehrt die Prioritäten des Unternehmens wieder, während gleichzeitig durch die Mitwirkung der Teams bei der Zielfestlegung und die lebendige Interaktion mit den Vorgesetzten ausgeprägte Partizipation praktiziert wird. Die Teams legen auch fest, was die Kernergebnisse sind, die am besten zur Zielerreichung beitragen. Es geht dabei auch um die Motivation durch selbst gesetzte Ziele und (Selbst-)Führung innerhalb der verschiedenen sich mehr und mehr selbst organisierenden Teams.

Aufgaben und Zielfortschritte werden beim OKR in wöchentlichen Kurzsitzungen (OKR-weekly) besprochen und die Zielerreichung wird quartalsweise überprüft – und dann die Ziele wieder nach Analyse neu justiert. „Weekly“, Review und Retrospektive sind somit klarer Teil des Konzeptes und sichern die regelhafte, dynamische Anpassung der Ziele an den Umsetzungsfortschritt und an aktuelle strategische Vorgaben.
Bestandteil dieser Methode ist es, alle OKRs und Zielerreichungsgrade für alle Mitarbeitenden im Unternehmen hierarchie- und berufsgruppenübergreifend transparent zu halten, vom Azubi bis zur Führungskraft! So ist bekannt, welche Teams an was arbeiten und welche Teilergebnisse erzielt und erreicht wurden. Das spornt nicht nur an, sondern verbindet auch untereinander und führt zu zahlreichen Anregungen für die nächste OKR-Periode. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Ziele bei der OKR-Methode i.d.R. so anspruchsvoll hoch gesetzt sind, dass sie im Normalfall nicht vollkommen erreicht werden (können). Doch das gehört dazu, bleibt sanktionsfrei und je nach Zielerreichungsgrad wird am Ende der Umsetzungsperiode wieder neu justiert und so kommt man dem gewünschten Zustand Zug um Zug näher, während gleichzeitig die Ziele immer wieder ein wenig neu ausgerichtet werden können. Letzteres geschieht auch über Teamgrenzen hinweg, so dass eine flüssige, durchlässige und ausgeprägte Kommunikation im Unternehmen eine wichtige Voraussetzung für funktionierendes OKR ist.

Die Vorteile der OKR-Methode liegen auf der Hand:

OKR ist deutlich schneller als die sich oft lange hinziehende Top-Down Budgetplanung auf der Grundlage von schwerfälligen und umfassenden Strategiekonstrukten, an deren Entstehung die meisten Mitarbeiter gar keinen Anteil gehabt haben und sich daher auch nicht damit identifizieren. Weiterhin liegt bei OKR der Fokus der Aufmerksamkeit der verschiedenen Leistungseinheiten auf dem, was gerade wichtig und aktuell wesentlich ist durch die Beschränkung auf nur wenige Umsetzungsziele. Nicht das, was man macht steht im Vordergrund wie bei vielen herkömmlichen Projekten, sondern was man mit seinem Tun innerhalb einer Periode erreicht hat (Key Results). Durch die hohe Transparenz dieser Key Results im Unternehmen und die Neujustierung der Ziele alle drei Monate kann man ziemlich sicher sein, dass die wesentlichen Themen in die Umsetzung kommen und man nicht ggf. längst überholten Zielstellungen hinterherläuft, während sich die Welt um das Unternehmen herum längst weitergedreht hat. Diese Transparenz führt bei guter Kommunikation auch zu einem ausgeprägten Corpsgeist, denn die einzelnen Bereiche entwickeln ein gutes Gefühl für das große Ganze, während sie immer wieder Resultate für ihre eigenen Bereichsziele erreichen. Nicht zuletzt fördert OKR die Ausprägung von sich selbst organisierenden Teams und das Prinzip der Subsidarität im Unternehmen.

Und – während das so ist – machen längerfristige, übergeordnete Ziele für das Unternehmen und seine Mitarbeiter noch immer großen Sinn, solange die Top-Führungskräfte immer wieder mit Augenmaß und etwas Abstand überprüfen, ob diese Ziele in der aktuellen Situation des Unternehmens noch Bestand haben oder besser neu zu formulieren oder anzupassen sind. Dass man auch eine breite Anzahl von Führungskräften und Leistungsträgern in die Entwicklung von übergeordneten Unternehmenszielen einbinden kann, haben wir auch schon ausführlich beschrieben (Quelle: Drauschke, Pia, Drauschke, Stefan, Schade, Nina. Führen im Wandel (2) – Die neuesten Kolumnen über Kommunikation, Führung und Change-Management. S. 97-103: Was Strategieentwicklung wirksam werden lässt. medhochzwei Verlag, 2016).
Doch nicht das eine oder das andere zählt, sondern die sinnhafte Verknüpfung von beidem, was das Wesen der sehr praktikablen OKR-Methode ausmacht.

Gez. Pia Drauschke und Stefan Drauschke, im April 2020