Wertschätzend Kommunizieren 2

Der NextHealth Change-Brief Nr. 25

Wertschätzend Kommunizieren (Teil 2)

Was den großen Unterschied zwischen Feedback und Urteil ausmacht … 

In dieser  Kolumne möchten wir uns im zweiten Teil von „wertschätzend Kommunizieren“ damit befassen, wie man auf der Grundlage eines guten Ich-Zustandes mit einem positiven Menschenbild und einigen Kommunikationswerkzeugen  wirksam und wertschätzend Feedback geben kann. Der Unterschied zwischen Feedback und Urteil ist erheblich und ebenso die damit verbundenen Wirkung auf andere. Zu einem guten Feedback gehört u.a. wahrzunehmen ohne zu interpretieren oder zu bewerten, Ich-Botschaften auch über eigene Gefühle und Bedürfnisse zu senden und klare, verständliche Wünsche auf der Verhaltensebene zu formulieren. Wenn Sie das nicht beachten, besteht akute „Schlaglochgefahr“ in der Kommunikation, die dann leicht in einen unfruchtbaren gegenseitigen Schlagabtausch münden kann !

Wahrnehmung ohne Interpretation und Bewertung

Es bedarf auf Grund alter Gewohnheiten einiger Übung – manche sprechen von Achtsamkeit -, einfach nur wahrzunehmen, ohne zu interpretieren oder gar zu bewerten. Wahrnehmungen beschreiben das, was wir mit unseren Sinnen erfassen, was wir sehen, hören, fühlen, schmecken oder riechen können. Es geht darum, die vorgefundenen Dinge, das Verhalten anderer, die Ergebnisse oder Resultate erst einmal mit wahrnehmbaren Fakten zu beschreiben ohne sie gleich zu interpretieren. So stellt eine Stationsleiterin fest, dass der Visitenwagen nicht gerichtet ist und die Kurven nicht vollständig vorhanden sind. Eine dazu passende Interpretation wäre die Aussage, dass es der zuständigen Stationsmitarbeiterin wohl nicht wichtig wäre oder sie nicht koordiniert sei in ihrer Arbeit, um vor der Visite die Unterlagen in Ordnung zu bringen. Eine Bewertung wäre, die Situation oder schlimmer noch die Person mit unordentlich, unzumutbar oder gar schlampig abzuwerten, ihr sozusagen damit einen Stempel auf die Stirn zu drücken und die Bewertung auf diese Weise in einen wenig änderbaren Zustand zu überführen. Interpretationen sind die Resultate der eigenen Verarbeitung unserer Wahrnehmungen, Bewertungen sind Interpretationen, die  zudem auf einer +/- Skala die Dinge oder das Thema  als gut oder schlecht abstempeln.

Urteile sind immer von oben herab

Insbesondere bei negativen Rückmeldungen, von vielen auch Kritik genannt,  gehen viele Menschen über die reinen Wahrnehmungen hinaus und tätigen Aussagen, dass der Gesprächspartner etwas kann oder nicht, wichtig findet oder nicht, oder gar auf der Identitätsebene ein guter oder schlechter Arzt, eine gute oder schlechte Pflegekraft etc. wäre. Bei diesen Aussagen handelt es sich eindeutig um Urteile, die von „oben herab“ gefällt werden, denn wir maßen uns an, über den anderen zu urteilen, wie gut oder schlecht er wäre, was er kann oder will oder nicht. Weiterhin sind dies im Grunde genommen alles eigene „Hirngespinste“, denn wir können nicht wirklich wissen, was der andere kann oder nicht, will oder nicht und wie gut oder schlecht er wirklich ist. Wir können nur sehen, fühlen oder hören, was ist, und wir können unterscheiden, ob das Wahrgenommene oder die Resultate den eigenen Erwartungen entsprechen oder nicht. Ob der Gesprächspartner tatsächlich etwas nicht kann oder nicht wollte oder es andere Gründe gibt, dass das erwartete Verhalten nicht gezeigt und die Ergebnisse nicht erreicht  wurden, weil beispielsweise Handicaps, Schlafstörungen, Krankheiten, Blockaden etc.  bestanden haben, können wir nicht wissen. Weiterhin verlassen wir dabei die Ebene „Du bist ok, ich bin ok“ und schwenken auf eine für ein Feedback ziemlich ungünstige „Du bist nicht ok, ich bin ok (und ich weiß mehr über Dich als Du selbst …)“.

Es gibt Momente, da kann ein Urteil durchaus sinnvoll und angemessen sein, doch wir müssen uns darüber bewusst sein, dass dies so gut wie immer Gegenreaktionen auslöst, die oft nicht dazu führen, gemeinsam in einen guten Dialog zu kommen, der die Resultate der gemeinsamen Arbeit besser werden lässt. Viel eher erfolgen vom Urteilsempfänger Rechtfertigungen, Gegenvorwürfe, Ausreden oder „Abschalten“, mit anderen Worten also Angriff oder Flucht. Wenn wirksame Kommunikation bedeutet, im gewünschten Sinne Wirkung zu erzielen, dann setzen wir ein großes Fragezeichen, wenn es um das Aussprechen von Urteilen geht. Doch was wäre wirksamer?

Du – Ich – Botschaften

Wenn Sie anderen ehrlich wie Sie sind ins Gesicht sagen, „Sie haben nicht aufgeräumt“, „Du bist mir wieder ins Wort gefallen“, „Sie haben den Visitenwagen nicht rechtzeitig gerichtet“, dann mögen Sie in Ihrer Welt im Recht sein, doch machen Sie sich bewusst, dass diese Aussagen wie mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf andere gestoßen wirken und in der Regel Abwehr, Verteidigung und Rechtfertigung nach sich ziehen. Das ist oft nicht die erwünschte Wirkung, nicht wahr?

Wenn Sie dagegen Aussagen über eigene Bedürfnisse  tätigen, erreichen diese den Gesprächspartner ebenfalls und sie unterlaufen die „Deckung“, denn es geht ja um Sie und nicht um den anderen. „Mein Bedürfnis ist, dass wenn ich in unser Büro komme, die Unterlagen und Ordner an ihrem Platz stehen und ich in Ruhe und mit Übersicht an meinen Themen arbeiten kann“,  „Mir ist es wichtig, ausreden zu können“, „wenn ich die Visite beginne, möchte ich mit einem fertig und komplett bestückten Visitenwagen unverzüglich anfangen können“. Das klingt schon anders, und was soll der andere schon anderes anfangen als in gewisser Weise betroffen zu sein, wenn Sie sagen, dass Sie äußerst  ärgerlich seien, weil Sie bei der hohen Arbeitsdichte nicht rechtzeitig mit der Visite beginnen können. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Einsicht und Betroffenheit sowie die Bereitschaft, an sich selbst zu arbeiten bei dem anderen einstellen,  ist jedenfalls deutlich größer als bei einem Vorwurf in Form der Du/Sie Botschaften.

Doch Achtung, es gibt noch die verkappten Sie-Botschaften, oder sogenannten Pseudo-Ich-Botschaften. Hier fangen Sie mit einem „Ich“ an, und lenken dann elegant auf den anderen. „Ich bin total verärgert, weil Du den Visitenwagen nicht vollständig gerichtet hast“, ist so ein Beispiel. Es handelt sich dabei  natürlich in der Wirkung um eine Sie-Botschaft, obwohl sie mit „ich“ begonnen wurde, mit allen oben beschriebenen Konsequenzen.

Feedback geben, ohne zu urteilen

Feedback ist an sich immer eine Einladung zum Lernen und ein Angebot zum Dialog, es soll dadurch besser werden oder bessere Ergebnisse  sollen möglich werden, anstatt durch negative Bewertungen Sand ins Beziehungsgetriebe zu streuen. Es geht um das „Rückfüttern“ von aufgenommenen Informationen auf der Basis von eigenen, persönlichen Wahrnehmungen anstelle von Interpretationen und Bewertungen in Form von Urteilen „von oben“.

Im Modell der „logischen Ebenen“ von R. Dilts, das sich auf die logischen Ebenen des Lernens von G. Bateson bezieht, werden Ebenen der Persönlichkeit von ganz außen (Umwelt) bis in den innersten Sinnkern schematisch aufgezeigt. Die Feedbackgrenze ist dabei ganz klar zwischen den Ebenen „Verhalten“ und „Können“ gezogen. Alles oberhalb dieser Grenze ist eher ein Urteil und wenig dazu geeignet, in einem guten Miteinander die Dinge zum Besseren zu wenden, während sich Feedback immer auf beobachtbares Verhalten mit seinen Resultaten bezieht und einen Wunsch nach Veränderung von Verhalten und Resultaten beinhaltet.


Abbildung: Logische Ebenen mit Feedbackgrenze


Meist geht es wechselseitig um Rückmeldung geben und Rückmeldung nehmen, wie sehe ich andere und deren Verhalten mit den entsprechenden Resultaten, wie sehen andere mich und mein Verhalten mit den entsprechenden Resultaten?

Gründe und Anlässe für Feedback bestehen insbesondere dann, wenn aus konkreten Prozessen und Erlebnissen etwas zu lernen ist.  Dann können Mitarbeiterpotentiale entwickelt werden, Ziele erreicht, Ergebnisse verbessert oder Konflikte aufgelöst werden. Sollten Sie dagegen nur eigenen Dampf ablassen wollen oder bewusst eskalieren und die Beziehung in Frage stellen wollen, dann raten wir zu Urteilen mit deutlichen Abwertungen des Gesprächspartners.

Es gibt Regeln für gutes Feedback. Die größte Kunst dabei ist, einem Menschen zu sagen, wie ich sein Verhalten in einer spezifischen Situation erlebe, ohne dabei dessen Identität, seine Wertewelt oder sein Können zu bewerten. Feedback sollte zielorientiert sein, d.h. es  bietet die Möglichkeit,  für die Zukunft  aus Fehlern zu lernen. Feedback sollte prozessbezogene Informationen liefern über Effekte, die das Handeln des Feedbacknehmers im eigenen Arbeitskontext auslöst und eine Basis für neue Handlungsoptionen bieten. Grundsätzlich sollte Feedback immer konstruktiv, respektvoll und wertschätzend sein, konkretes Verhalten im konkreten Prozesszusammenhang aufzeigen und subjektiv aus der Perspektive des Feedbackgebers ohne Verallgemeinerungen formuliert sein. Wenn möglich, sollte Feedback immer aus einem Teil Bestätigung und aus Lob bestehen und konkrete Verbesserungshinweise und zusätzliche Verhaltenshinweise aufzeigen. Ein gutes Feedback enthält immer einen „Wunsch“ nach gemeinsamen Lösungen oder zu erreichenden Resultaten. Es geht dabei auch darum, Zuversicht für die Realisierung der anstehenden Änderungen zu hinterlassen, während dabei klar und eindeutig momentane Leistungsgrenzen in Bezug auf Ergebnisse und eigene Wahrnehmungen benannt werden.

Für die oben gegebene Situation könnte ein Feedback beispielsweise also wie folgt lauten:
„Ich habe festgestellt, dass der Visitenwagen nicht gerichtet ist und die Kurven nicht vollständig vorhanden sind. Wenn ich die Visite beginne, möchte ich mit einem fertig und komplett bestückten Visitenwagen unverzüglich anfangen können, weil wirklich viel zu tun ist und die Zeit knapp. Daher bitte ich Sie darum, zukünftig vor der Visite alle Unterlage so zu richten, dass wir unverzüglich beginnen können.“ Vielleicht könnten Sie noch fragen, ob das für den Ansprechpartner so machbar wäre, dann würde ggf. ein kurzer Dialog folgen, was sein müsste, damit es wirklich klappt. Und in genau so einen lösungsorientierten Dialog wollen Sie doch eigentlich gelangen, oder nicht? Denn wenn Sie nun eine genaue Verabredung miteinander treffen, unter welchen Umständen beide davon ausgehen dürfen, dass es zukünftig funktioniert, und Sie haben vielleicht auch einen Beitrag zu leisten, indem Sie einen Engpass an anderer Stelle auflösen, dann wird es auch klappen. Wenn das gewünschte Ergebnis, hier der gerichtete Visitenwagen, wieder nicht vorliegt, dann kann es sein, dass Sie mit Feedback nicht weiterkommen. In diesem Fall  können Sie immer noch klarstellen, dass Sie nicht wissen, ob der andere nicht will, oder nicht kann, doch die Ergebnisse wie sie sind in keinem Falle für Sie hinnehmbar sind. Die Feedbackgrenze wird für beide spürbar, jetzt könnte sich im Dialog noch herausstellen, dass es vielleicht noch ganz andere Gründe gibt, die Sie bisher nicht ins Kalkül gezogen hatten, oder der andere  blockiert und es bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als – mit oder ohne ausgesprochenem Urteil – die Arbeitsbeziehung an dieser Stelle komplett in Frage zu stellen. Insofern hilft Feedback auch zu klären, ob ein grundsätzliches Miteinander möglich ist oder vielleicht Störungen an ganz anderer Stelle vorliegen und die Zusammenarbeit unmöglich machen.

Im dritten Teil von „wertschätzend Kommunizieren“ stellen wir Ihnen das Modell der „gewaltfreien Kommunikation“ nach M. Rosenberg vor sowie ein webbasiertes Feedbacktool, das es bei einer guten Feedbackkultur in Ihrem Unternehmen ermöglicht, Elemente der Führungskultur und Führungskulturentwicklung  zu „messen“ und darüber hinaus noch wertvolle Anreize für Veränderungen zu generieren.

Vielleicht probieren Sie einfach einmal aus, welche Wirkungen Sie anstelle der mehr oder weniger bewusst abgegebenen Urteile mit einem professionellen, verhaltensorientierten Feedback erzielen können.

Dr. Stefan Drauschke, April 2014

Erschienen in der KMi-Kolumne, Klinik Markt inside 8/2014