Feedback besser annehmen (Changebrief 92)

Wie man eine lebendige Feedback-Kultur fördert, indem man besser Feedback annehmen kann!

Im Rahmen eines aktuellen Digitalisierungsprojektes zur Umsetzung der KHZG Fördertatbestände, haben wir auf einer Führungskräftetagung an „guter und gesundheitsorientierter Führung“ gearbeitet. Wir glauben, dass neben der Vermittlung von Sinn, Werten und klaren Zielen freie und offene Kommunikation sowie Kollaboration in vernetzten, interdisziplinären und interprofessionellen Teams mit einer ausgeprägten Feedback-Kultur die Kernelemente für den gelingenden Wandel sind.

Über Feedback geben haben wir bereits ausführlich geschrieben (Quelle: Drauschke/Drauschke/Schade: Mit Feedback-Werkzeugen arbeiten. In: Führen im Wandel (2). 2015, S. 31–37). Die beste uns bekannte Methode, die Feedback 360° wirksam ermöglicht – also nach oben, zur Seite und nach unten – baut die Feedbackaussage aus drei obligaten und 1–2 fakultativen Elementen zusammen mit Anleihen von der „Gewaltfreien Kommunikation“ nach M. Rosenberg, der Transaktionsanalyse nach E. Berne und den logischen Ebenen nach R. Dilts wie folgt:

  • Aussage über Verhalten oder Kontext (obligat, Wahrnehmung): „Heute komme ich pünktlich zum geplanten Operationsbeginn in den OP, und der Patient ist noch nicht vorbereitet und die Instrumente noch nicht gerichtet.“
  • Aussage über die Auswirkung/Bedeutung (fakultativ): „Das ist sehr misslich, denn so können wir den OP-Plan nicht erfüllen und es entstehen hohe Leerlaufkosten.“
  • Aussage über Gefühl und/oder Bedürfnis (obligat, Ich-Botschaft): „Ich bin sehr ärgerlich, denn mir ist es sehr wichtig, dass meine Vorgaben eingehalten werden und wir morgens pünktlich das Programm starten!“
  • Äußern von Wunsch/Bitte (obligat): „Daher bitte ich nochmals eindringlich, dass Sie am Morgen vorrangig den Patienten für die OP vorbereiten und lagern und alle notwendigen Instrumente gerichtet sind.“
  • Nachfrage (fakultativ): „Ist das ab heute so für Sie umsetzbar?“

Kleine kommunikative „Fehltritte“ wie die Erstaussage auf der Ebene von Können oder Wollen, oder Passivierungen bei der Gefühlsäußerung („bin verärgert“ an Stelle von „ärgerlich“, oder „bin enttäuscht“) laden gleich ein in das sog. Dramadreieck von Täter, Opfer und Retter ein und sorgen eher für Beziehungsprobleme und Konfliktpotenzial als für das Annehmen der Kritik und das Ändern des bisherigen Verhaltens, um das es ja eigentlich geht!

Doch wenn Sie eine belastbare Feedback-Kultur in Ihrem Unternehmen einführen wollen, ist Feedback nehmen zu können und zu wollen genauso wichtig wie eines wirksam zu geben.

Vorteile, Feedback zu nehmen

Der Wert und die Vorteile, Feedback besser zu nehmen, liegt in der Chance sich zu verbessern, zu entwickeln und zu verändern. Man erhält eine Rückmeldung zum Wert der eigenen Kommunikation und Performance. Man kann reflektieren und den eigenen Horizont erweitern, um zu lernen und zu wachsen. Man erhält Orientierung und eine Art Controlling- und Steuerungsinstrument für den eigenen Erfolg. Auch Beziehungsaspekte sind wichtig: Feedback anzunehmen zeigt Respekt für den Feedbackgeber und baut Vertrauen auf und zahlt letztlich in die Beziehung ein. Man kann auch etwas über den Feedbackgeber lernen, über seine Sicht der Dinge und seine Bedürfnisse. Schließlich werden Probleme und Risiken erkennbar und Missverständnisse können aufgeklärt werden.

Risiken der Nicht-Annahme

Wenn Sie Feedback nicht annehmen oder gar abblocken, dann ändert sich nichts und eine Blockade ist die Folge, oft auch eine Verschlechterung der Beziehung und Resignation und (innere) Kündigung können folgen. Es bleibt häufig das Gefühl, falsch verstanden worden zu sein und Demotivation macht sich breit. Nicht selten folgt der Kontaktabbruch und Rückzug des Feedbackgebers mit der Folge der Isolation im „Elfenbeinturm“ des vermeidenden Feedbacknehmers. Die Entwicklung stockt und Missverständnisse werden gefördert und Korrekturen vermieden. Die Teams fallen häufig in der Leistung ab und sind gestört.

Das Johari Fenster

Das Modell des „Johari Fensters“ wurde 1955 von den amerikanischen Sozialpsychologen Joe Luft und Harry Ingham entwickelt. Es visualisiert die Felder der Selbst- und Fremdwahrnehmung der eigenen Person und illustriert den „blinden Fleck“ im Selbstbild eines Menschen.

Abb. 1: Johari Fenster. Quelle: Eigene Darstellung

Die Arena im linken oberen Feld ist der Bereich, in dem man aktiv und sichtbar ist. Die Arena markiert den eigenen Handlungsraum. Das Verhalten und die Einstellung sind sowohl mir selbst bekannt als auch für andere wahrnehmbar.

Die Fassade unten links verdeckt Eigenschaften und Verhaltensweisen, die nur mir bekannt sind, nicht aber meinem Gegenüber. Hier werden Teile des Verhaltens für andere bewusst verborgen oder versteckt. Der blinde Fleck oben rechts zeigt, was mir selbst verborgen, für andere jedoch sehr wohl wahrnehmbar ist. Hier können kleine Ticks auftauchen oder ständig wiederholte „ähs“ oder ähnliches. Hier setzt Feedback an, denn dieses hilft, den blinden Fleck zu verkleinern. Im Feld unten rechts ist dann das Unbekannte und das Unbewusste verborgen, das auch ein Entwicklungspotenzial darstellen kann. In diesen Bereich fallen Eigenschaften und Verhaltensänderungen in normalen Alltagssituationen, die weder mir noch anderen bekannt sind. Hierher gehören Antriebe, Motive, auch Wünsche und Sehnsüchte, die wir abgewehrt haben, weil sie nicht erreichbar erscheinen.

Feedback hilft, die Arena zu vergrößern, weil der blinde Fleck schrumpft und gleichzeitig die Chance öffnet, die Fassade zu verkleinern. Eine tolle Chance, die sich hier für jeden Feedbacknehmer auftut.

Strategien zum Annehmen von Feedback

Wenn denn Feedback nehmen so wichtig ist, dann lohnt es, sich Strategien und Taktiken anzueignen, um dabei erfolgreich alles mitzunehmen, was einen weiterbringen kann. Das ist insbesondere wichtig, wenn das Feedback nicht so professionell gegeben wird wie oben beschrieben und dabei vielleicht auch die emotionale „Betriebstemperatur“ ein wenig höher ist.

Abb. 2: Feedback

Die erste „Familie“ der Strategien ist im Bereich der Interaktion und Kommunikation angesiedelt. Ein wichtiges Strategieelement heißt Zeit gewinnen und die Situation abkühlen. Man kann sich für das Feedback bedanken und darum bitten, den Ort zu wechseln, beispielsweise vom Flur in einen Nebenraum zu gehen oder vom Stehen ins Sitzen zu kommen oder einen Kaffee anbieten etc. Durch den Zeitgewinn können Sie für sich die Aussagen erst einmal bewerten und „abschichten“. Wenn es Sie zu sehr berührt, dann können Sie auch vertagen und eine neue Zeit verabreden. Dies bietet sich vor allem dann an, wenn Sie selbst emotional sehr betroffen sind. Kein guter Chef wird es Ihnen Übel nehmen, wenn Sie darum bitten, sich nicht jetzt darüber auszutauschen, sondern ggf. einige Stunden später oder am nächsten Tag.

Das zweite wichtige Strategiesegment besteht aus dem Stellen von Fragen, und zwar mit sog. Metamodell- oder auch W-Fragen, die in der Tiefe erkunden sollen, worum es eigentlich geht. Man fragt nach, um zu klären und zu verstehen (was genau, wo genau, wie lange, wie etc.).

Das dritte Segment enthält Blocktechniken, wenn es ganz hart kommt und der Feedbackgeber verbal übergriffig ist. Es steht Ihnen dann zu, gestisch wie verbal ein klares Stoppsignal zu setzen: „Stopp, so nicht und nicht mit mir!“ und dabei die Handfläche ausstrecken. Eine Fortgeschrittenentechnik ist das sog. „Parrot Phrasing“ (Papageien-Sprache). Hier wiederholen Sie präzise, was und wie es gesagt wurde (Inhalt und Tonalität spiegeln), um einerseits Zeit zu gewinnen und dabei zugleich eine Musterunterbrechung durchzuführen. Das ist nicht das Gleiche wie „zurückzumotzen“, weil Sie ja im Kern nur wiederholen und den Spiegel vorhalten. Das führt häufig dazu, dass der Feedbackgeber spontan irritiert ist – und abkühlt. Diese Technik sollten Sie ein wenig üben, bevor Sie sie in einer emotional heißen Situation anwenden.

Die zweite Familie der Strategien besteht darin, die eigene Haltung und Einstellung zu verändern, um gelassener zu bleiben und die Wahlmöglichkeiten im Verhaltensbereich voll ausnutzen zu können. Eine der wirksamsten und einfachsten Techniken ist dabei das Wahrnehmen ohne Wertung und ohne Interpretation zu trainieren. Wir sind darin geübt, immer sofort zu interpretieren und es ist eine wichtige Übung für mehr Achtsamkeit, sich auf die reine Wahrnehmung zu fokussieren. Sie können auch sortieren, was Sie von den Rückmeldungen „gebrauchen“ können und was Sie weiterbringt, und was Sie getrost an sich vorüberziehen und abgleiten lassen.
Auch ist es ein guter Weg, sich in Dankbarkeit zu üben, wenn man Feedback erhält, egal wie es formuliert ist. Lernen Sie den Wert von Feedback an sich zu schätzen, auch, wenn vielleicht der Ton nicht passt. Denn die Probleme anderer Leute (z. B. sich im Ton zu vergreifen) können Sie getrost bei anderen Leuten lassen und sich nicht zu eigen machen.
Eine Fortgeschrittenentechnik ist, den Glaubenssatz/die Überzeugung zu „installieren“, den wir das „Prinzip der guten Absicht“ nennen. Sie könnten probieren ab heute anzunehmen, dass andere es generell gut meinen „in deren Welt“, egal was sie tun oder sagen, und sie es nicht auf Sie abgesehen haben. Es macht einen elementaren Unterschied, ob Sie glauben, jemand würde Sie angreifen und verletzen wollen, oder einfach nur wahrzunehmen, dass jemand schnell und mit ausfahrenden Bewegungen auf Sie zukommt. Es geht im Kern auch hier darum, gelassen zu bleiben, um die Wahlmöglichkeit der möglichen Reaktionen optimal nutzen zu können.

Es gibt dabei viel zu lernen und zu üben, probieren Sie es einfach aus und bitten um mehr Feedback im Sinne von „Feed forward“. Denn nun sind Sie gut gewappnet, um mit Freude und Zuversicht dem nächsten Feedback entgegenzusehen und davon zu profitieren – und für noch bessere Beziehungen und Ergebnisse im Team zu sorgen.

Pia Drauschke und Stefan Drauschke im September 2021